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Quelle:
Taktlos No. 23 (November)
Wettbewerbe

Sendetermin: 5.11.1998 / 20:05 Bayern2Radio
Website taktlos

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Hören Sie das Beispiel

 

 

Probleme mit der Künstlersozialkasse

© 1999 by Martin Hufner (EMail)

Musik 1:
Vorspiel zu „Die Meistersinger von Nürnberg" Anfang etwa 15 Sekunden, dann unter den den Text blenden, bis Zeile 3

Sprecher:
Die ganze Nation bekommt die Einsparpolitik der rot-grünen Bundesregierung zu spüren. Nun hat man eine der letzten Nischen der Verschwendung aufgetan: Die Künstler und Publizisten. Diese schmarotzen nämlich an den Töpfchen der Künstlersozialkasse. Die Künstlersozialkasse wird momentan zu 25 Prozent vom Bund finanziert. Weitere 25 Prozent geben die Kunstverwerter dazu und 50 Prozent tragen die Künstler und Publizisten selbst bei. Nun will der Bund seinen Anteil um fünf Prozent kürzen. Auf die Zahlen des letzten Jahres bezogen könnte der Bund auf diese Weise etwa zweiunddreißig Millionen D-Mark einsparen. In einer Resolution des Deutschen Kulturrates wird dieses Verhalten scharf gerügt.
Dort heißt es:

„Mit dieser Absenkung beschädigt die Bundesregierung den Sozialpakt zwischen der Kulturwirtschaft und dem Staat zum Schaden der Künstler. Die Künstlersozialversicherung – eine Errungenschaft der sozialliberalen Regierung – wird nun durch eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung gefährdet."

Denn es geht nicht nur um diese fünf Prozent. Weitere fünf Prozent werden fehlen, weil kaum zu erwarten ist, dass die Verwerter ihrerseits die Lücke stopfen. Im Gegenteil, auch sie werden ihren Beitrag im gleichen Maße einkürzen.

Damit vollzieht jene Partei, die sich einstmals grossspurig das Wort Solidarität auf die Fahne geschrieben hat, einen Drehtanz, in deren Taumel sich ganze Sozialsysteme auflösen.

Das Herz mag schlagen wo es will, solange es wenigstens schlägt. Momentan muss man den Eindruck gewinnen, dass das Herz ersetzt worden ist durch eine externe Herz-Lungen-Maschine, auf deren Firmenschild die Worte „Freien Marktwirtschaft" zu lesen sind. Hier herrscht das Prinzip des Wettbewerbs uneingeschränkt. Der Wettbewerb gilt als ein geeignetes Ausleseverfahren. Ausgelesen wird dabei in zwei Richtungen: In Gewinner und Verlierer.

Dieses Prinzip gibt es nicht nur im Bereich des Wirtschaftens sondern auch im künstlerischen Bereich. Dort ist der Wettbewerbsgedanke vermutlich sogar historisch früher aufgetreten: Ob im griechischen Mythos, oder dann zum Beispiel in dem von Wagner in Szene gesetzten Sängerstreit von Nürnberg. Heute haben wir haufenweise Musik-Wettbewerbe mit den entsprechenden Preisträgern. Warum also sollte also die Politik die Künstler schützen, wenn selbst in dem kulturellen Bereich der Wettbewerbsgedanke so unumstritten angewendet wird? Das kann man niemandem vernünftig erklären. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wettbewerbe im künstlerischen Bereich sind die beste Schulung auf ein Leben an der Herz-Lungen-Maschine.

Memo
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 88, § 26
„ Kommunistische und dabei rechnungsfremde Leistungsvergemeinschaftung oder -vergesellschaftung gründet sich nicht auf Errechnung von Versorgungsoptima, sondern auf unmittelbar gefühlte Solidarität.