Sprecher: Das waren noch Zeiten. Bonn war Bonn und Bonn war die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Niemand
hätte von diesem ausgewachsenen Provinznest am Rhein erwartet, ein kulturelles Zentrum zu sein. Die Bonner
Subkultur artikulierte sich durch das Trinken von Kölsch nebst karnevalistischem Treiben. Ein paar Museen packte
man drauf, das wars auch schon.
In Berlin ist das nun alles ganz anders. Diese neue Hauptstadt,
einst westdeutsche Insel und damit kulturell im Sicherheitsschlaf, ist auch Stadtstaat und seit der Wiedervereinigung
eine Doppelmetropole ohne Kern. Statt des Teufelsbergs beschattet diesen Nicht-Ort nun der Schuldenberg. In ein
Konkursverfahren scheint längst auch das kulturelle Leben der Stadt hineingezogen zu sein. Man laviert zwischen
Tourismus, Alibi-Neo-Punks und neuer Waschmaschinen-Repräsentation, zwischen rechter Aufmarschkultur durchs
Brandenburger Tor und zugedröhnter Love&Peace-Kultur um die Siegessäule. Mittendrin sozusagen der
Vatikan des Regierungsbezirkes der Bundeshauptstadt sowie dieses Subventionsunikum des Berliner Philharmonischen
Orchesters mit seinem künftigen Staatsdirigenten Simon Rattle. Drei Opernhäuser bilden die Spitze hoher
Lebenskultur. Da hat sich was zusammen gebraut, was selbst kein Unreinheitsgebot mehr decken kann.
Nackte Zahlen sprechen da noch deutlichere Worte. Die Zahl der
Sozialhilfeempfänger in Berlin ist seit 1992 um ein Drittel gestiegen, ebenso die Zahl der erstinstanzlichen
Strafverfahren. Die Zahl der Insolvenzen hat sich im gleichen Zeitraum mehr als verdreifacht. Etwa einer 550 Tausend
Opernbesuchern in stehen 200 Tausend Sozialhilfeempfänger gegenüber.
Manchmal möchte man dieses Berlin in den hintersten Teil
von Sibirien verbannen. Dieses Berlin verdient kein Mitleid sondern muss endlich auf seine Realität zurückgeworfen
werden. Warum sollten hier andere Maßstäbe gelten als in kleinen Kommunen, wenn dort mal wieder ein überflüssiges
Häuschen für den Löschzug einer Feuerwehr gebaut wird. Dass die neue Bundeskulturstiftung in Halle
an der Saale angesiedelt sein wird, ist schon mal ein erstes positives Signal.