Musik: Morton Subotnik, Cindy Electronicum
Sprecher:
Schöne neue Welt. Immer dichter überziehen Daten- und Informationsnetze die abendländische Kultur.
Interaktives Fernsehen, Internet, Handies, Keyboard-Musiksprachlabors. Alles so schön bunt, reizend, animierend.
Seit es Email und SMS gibt, wird in einem Umfang kommuniziert, den es in der Geschichte der Menschheit noch nicht
gab. Die Technik ist nicht das Problem sondern sie löst alle. Doch scheinen gerade die Pädagogen noch
zahlreiche Vorbehalte gegen die neuen Medien zu haben.
So kann man sich über die Langsamkeit der Pädagogen
wundern, die immer noch handgeschriebene Diktate verlangen. Dabei könnte man doch mittels eines Textverarbeitungsprogrammes
alle Fehler vollautomatisch unterkringeln lassen. Oder, was der Lage der Schüler heute noch näher käme:
Warum macht man Diktate nicht über das Handy als SMS. Und überhaupt: Wozu braucht es noch die Lehrerpersönlichkeit?
Längst lässt sich doch das Wissen über geeignete Machinen-Interfaces vermitteln. Lernen an didaktisch
ausgeklügelter Software. Vom Dummchen zum Genie ist es da nur ein paar Mausklicks weit. Und ein anderer Vorteil:
all die Lern-Stoffe lassen sich natürlich viel einfacher mit dem Wertesiegel staatlicher Institutionen versehen.
Böse Jungs oder böse Mädels sollten nach Absolvierung dieser zentral gesteuerten Lernprozesse eigentlich
nicht mehr vorkommen.
Musik: Helge Schneider: Ich drück die Maus
Sprecher:
In der Zauberei mit den neuen Medien geht es am Ende nur um Wissenssteigerung, um das Updaten" der Menschen
von der Beta-Version 0.9 auf Version 1.0. Doch all dieses Wissen ist so hohl wie ein Lexikon mit 23 Bänden
im Regal - entschuldigung, natürlich auf DVD. Doch das alles hat mit dem Begriff der Bildung nichts gemein.
Denn Bildung von Menschen hat mit sinnlicher Erfahrung zu tun, die durch die Haut geht. Noch gibt es keine digitalen
Austern oder digitale Rotweine aus dem Süden Frankreichs. Der digitale Klavier- oder Geigenton ist aber längst
Realität und als Hörschema im Kopf abgelegt. Wo Wiederholung im Prinzip ein gutes pädagogisches Mittel
ist, ist sie im Maschinenpark der digitalen Sinnbildung verhehrend. Der stereotype Plastiksound verödet jegliches
Hörempfinden wie es einst die Glockspielchen in meiner Kindheit taten aber die hatten aber immerhin
noch einen taktilen Reiz. Mit den Schlegeln konnte man schließlich auch auf anderes klingendes Materialn kloppen.
In der Welt aus elektrischen Spannungschwankungen und Plaste-Tastaturen werden jedoch die Sinne stoßweise
abgenutzt und der Maschinengehorsam eingeübt. Statt Bildung fördern die unreguliert wuchernden neuen Medien
nur Eines: emotionale Einfalt und damit Verdummung.
Musik: Kraftwerk: Wir sind die Roboter
Martin Hufner
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