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der Kritischen Masse Quelle:
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Zwischenfall im Musikverlag Taktlos-Hofkompositeur Martin Hufner über seine Erfahrungen mit Lektoren und Verlagen © 2001 by Martin Hufner (EMail) |
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Eigentlich konnte ich mich über Musikverlage nicht beklagen. Doch dann kam es zu dem folgendem Zwischenfall:
Ich saß an einer Partitur für Kammerorchester mit insgesamt 18 Musikern. Das Stück mit dem Titel Kammersinfonie Nummer eins sollte etwa vierzehn Minuten lang werden. Alles sehr dicht und kompakt geschrieben. Ich wurde fertig und reichte die Partitur beim Verlag ein. Schöne Sache dachte ich, Aufführungen standen ja auch schon fest. Plötzlich kam ein Anruf von meinem Verlagslektor: Hören Sie mal gut zu" sagte er, ihr Stück ist ja ganz nett, aber es wäre einfach besser, da käme noch ein Instrument dazu." Ich fragte: Wieso das denn?" und er antwortete mir: Das brächte eben mehr Geld in die Kasse des Komponisten und diejenige des Verlages. Denn die GEMA würde dann das Stück in einer höheren Wertungsstufe führen. Ein paar kleine Handgriffe vielleicht ein weiterer Schlagzeuger, der nur an einer Stelle mal eben sein Bumm" macht, das wäre schon alles."
Außerdem, ergänzte
der Lektor, wäre dann auch der Titel Kammersinfonie ein bisserl blöde,
ich solle doch das unnötige Präfix Kammer" einfach
streichen und einen verkaufsträchtigen Untertitel hinzufügen,
zum Beispiel: Intime Briefe aus dem Tal der Tränen". Und
letztlich empfahl er mir, das Grundtempo etwas zu drosseln, dann käme
man auch in eine höhere Wertungsebene der GEMA. Das müsse ich
doch einsehen, ein Künstler heutzutage könne sich eben nicht
einfach ins Komponierhäusl zurückziehen sondern müsse wirtschaftlich
denken. Ich sagte daraufhin: Aha, wenn ich dann mal wieder ein Streichquartett
komponieren wollte, wäre es wohl auch am wirtschaftlichsten ein Orchester
als Kulisse drumherum zu gruppieren.
Ich nahm den Vorfall zum Anlass, dem Verlag den Rücken zu kehren und umgehend aus der GEMA wieder auszutreten. Ich bin schließlich Komponist und kein Kompositionsversandhaus. Mit einem Wort, ich hatte es satt, dass sich Verlage und Verwertungsgesellschaften mit meiner Musik gesund stoßen. Wenn ich ohnehin fast nichts vom Kuchen abbekomme, dann kann ich auch auf anderem Wege für ein Appel un Ei arbeiten.
Ja, natürlich weiß ich, was so ein Verlag dagegen rechnet. Er mache Werbung, knüpfe Kontakte, kümmere sich um die Formalitäten, und überhaupt sei er doch nur der Knecht dieser durchgedrehten Komponisten-Pseudo-Genies. Das mag bis zu einem gewissen Punkt sogar stimmen. Aber in Wirklichkeit ist es wie bei den Goldgräber Ende des letzten Jahrhunderts. Richtig Geld haben schon damals nur die Schippenhersteller, Bordelle, Saloons und Fuhrunternehmen gemacht. Jetzt bin ich Selbstverleger wie das so schnöde heißt und vertreibe meine Musik über das Internet. Die neuen Stücke können jetzt frei kopiert werden, solange niemand damit einen kommerziellen Zweck verfolgt. Jetzt habe ich sogar Aufführungsanfragen aus Übersee (Brasilien, Australien und so weiter) und ich rechne dann auf privater Basis ab. Das funktioniert eigentlich ganz prima. Der ehrwürdige Musikverlag, das war einmal ...
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