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Quelle:
neue musikzeitung

Leitartikel

Jahr 2000
Ausgabe 2
Seite 1
nmz-online

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Kabel-Kultur

© 2000 by Martin Hufner (EMail)

Das Wort hat Konjunktur: Informationsgesellschaft. Mitte der 80er-Jahre etablierte sich im Rundfunk/Fernsehbereich ein duales System. Öffentlich-rechtliche und private Anbieter stehen seither scheints unvereinbar nebeneinander. Ganz anders sieht es bei den Printmedien aus. Die sind vorwiegend privat. Und gerne werden beide Formen gegeneinander ausgespielt. Man argumentiert mit den Printmedien gegen den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Systems mit angeblich wirtschaftsliberalen Argumenten.

Doch das Problem ist ein ganz anderes, tieferes. Und es verschärft sich mit neuen Medientechnologien wie dem Internet extrem. Die Printmedien stammen aus einer kulturell verfassten und bestimmten Epoche bürgerlichen Selbstbewusstseins und der damit verbundenen Öffentlichkeit. Funk, Fernsehen und Internet dagegen sind geprägt von einem rein technologischen Bewusstsein. Sie sind beinahe bürgerlose Plätze des Marktes. Sie sind Entfremdungstechnologien; sie spiegeln kaum ein demokratisch verfasstes Bewusstsein von selbständigen und aufgeklärten Menschen: Es handelt sich immer mehr um reine Bewusstseinskaufhäuser: das Bewusstsein wird einem abgekauft und bis auf die Kaufreflexe entleert.

Die neuen Medien gehören also in die Hand von aufgeklärten Menschen. Man muss sie sich kulturell aneignen. Damit beginnt eine neue Epoche des Kulturkampfes. Die Gewerkschaften haben es längst zu spüren bekommen. Indem sie ihre Arbeit immer mehr auf reine Serviceleistungen reduzierten, entledigten sie sich Stück um Stück ihres kulturpolitischen Mandats.

In den kommerziell glattgebügelten Industriestaaten gelten Informationen nur dann als wertvoll, wenn sie zugleich kapitalisierbar sind. Das kann nicht reichen. Momentan sind neun Prozent aller deutschen Haushalte ans Internet angebunden. Bis zum Jahr 2004 will die jetzige Bundesregierung 40 Prozent verkabeln. Noch bestehen Möglichkeiten neben den Konzern- und Bewusstlosigkeitsgiganten eine Alternative zu entwickeln. Diese Chance darf nicht vertan werden.

Im Musikbereich bitten wir Verbände und Institutionen an den gut gedeckten, runden nmz-Internet-Tisch. Es gilt, sich im Verbund eine kulturelle Hoheit zu erschließen oder zurückzuerobern. Die neue musikzeitung steht als originär kritisches Printmedium längst mit beiden Füßen auch im Internet. Weit mehr als 10.000 qualifizierte Interessenten pro Monat besuchen gut 60.000 ihrer Netz-Seiten, wohl weil wir Inhalt bieten. Längst ist die nmz im Print – wie im Internetbereich – ein kulturelles Portal. Wir laden alle an Musik, Kultur und Qualität interessierten Organisationen und Menschen herzlich ein und bieten ihnen die Zusammenarbeit an, damit das Wort von der Informationsgesellschaft sich mit kulturellem Sinn erfüllt. Niemand muss im Netz vereinsamen – oder sich majoraler Macht beugen.

Martin Hufner