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Quelle:
neue musikzeitung

Cluster

Jahr 1999
Ausgabe 5
Seite 4
nmz-online

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Großer Lauschangriff

© 2000 by Martin Hufner (EMail)

Der Zeitungsleser hat es gut. Niemand kann überprüfen, was er liest, wenn er sich nicht freiwillig einer Befragung unterzieht. Anders im Internet: Man kann detailliert Spuren von sogenannten Usern verfolgen. Wie lange jemand auf einer Internetseite verweilt, das läßt sich prinzipiell auswerten – wofern jemand sich die Mühe machte, das zu analysieren. Wer derjenige ist, der da liest, das ist nur sehr schwer herauszufinden. Das könnte sich demnächst ändern. Software- und Prozessorhersteller implementieren neuerdings Codes in ihre Produkte, um die Nutzer individuell zu kennzeichnen. Die Datenschutzbeauftragten schlagen Alarm.

„Warum eigentlich?“ fragen sich die Hard- und Softwarehersteller: Endlich stellt man Mittel zur Verfügung, um beispielsweise im anonymen Internet Möglichkeiten zur Wahrung von Urheberrechten bereitzustellen, indem man die Nutzer über diese Codes individuell ermitteln kann. Jaja, die kleinen Wanzen im Computer dienen der Wahrung von Urheber- und Verwertungsrechten, helfen also dabei, geistiges Eigentum effektiv zu schützen. Und die um Milliarden geprellten Rechteinhaber (siehe das Dossier dieser nmz) können aufatmen. Endlich mal ein Fortschritt im Dienste der Rechtssicherheit. Arbeitsplätze werden gesichert, Künstler geschützt – niemand mehr, der im Mozartschen Massengrab landen müßte.

Jawohl, gut daß endlich die Konsumindustrie wirkungsvoll vor den kleinen kriminellen Hörern geschützt wird, die sich dazu versteigen, heimlich Musik zu verbrauchen (das heißt zu hören). Am liebsten wäre es der Industrie, daß man in die Ohren der Zuhörer kleine Datenbankprozessoren einbaut, um ganz auf Nummer Sicher zu gehen, wer, wann, was und wie hört. Individuelle Hördaten könnte man dann sekundengenau abrechnen. Das ist doch der perfekte Schutz geistigen Eigentums. Wollen wir die Industrie ermutigen, in dieser Hinsicht und zum Wohle der Allgemeinheit zu handeln. Datenschutz ist antiquiert und interessiert doch diejenigen, die glauben, etwas verbergen zu müssen, also die potentiellen Verbrecher. Also hinaus in die offene, gläserne und glückselige Gesellschaft.

Sie, liebe nmz-Leserin, lieber nmz-Leser haben es gut, Sie lesen ja nur eine Zeitung, doch zur Rechtewahrung geistigen Eigentums wird dieser Artikel sich in fünf Sekunden selbst zerst...

Martin Hufner