Zettelkasten

Erklärung des Nebels

Lange Zeit war es nötig, die Gedanken der Zeit zu lesen. Sie waren nicht immer so sehr offenbar. Der Internet sammelte sich zu einem großen Kasten von Informationen jeder Art. Eine kritische Masse hat man dabei nicht erreicht und wird es wohl auch nie.

Die Massen suchen das Netz auf. Man weiß nicht genau, wo sie sich herumtreiben. Vermutlich an allen Orten. Auch hier. Man muss sich heute keine Gedanken mehr machen. Oder sie lesen. Es gibt nichts mehr zu erklären. Die Gedanken sind längst offenbar.

Es muss nichts mehr verdeckt werden. Verdecken verdeckt nur, dass es nichts mehr zu verdecken gibt. Alles ist nackt und hörbar. Aber wir sind nur noch blind und taub.


“Je später der Abend, desto später der Morgen.”
[Zweiter Brief des Huflaikhan an die Berliner Philharmoniker, Vers 217]


„Ursache und Wirkung. – Vor der Wirkung glaubt man an andere Ursachen als nach der Wirkung.“ 1Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Drittes Buch. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6120 (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 151) (c) C. Hanser Verlag

Ich bin mir noch nicht sicher, wie man das zu verstehen hat, außer einfach. Vor allem stimmt es aber auch anders herum. Was auf das Gleiche hinausläuft.


Musik ist keine Sprache. Jedes Musikstück ist eine Art Felsblock in einer komplexen Form mit Schrammen und Mustern, die darauf und darein geritzt sind und die Menschen auf tausend verschiedene Weisen entziffern können, ohne dass eine dieser Weisen die beste oder wahrste wäre. (Iannis Xenakis)


John von Neumann schrieb einmal:

„lebende Organismen sind so gebaut, daß Fehler möglichst unauffällig und harmlos werden; künstliche Automaten dagegen sind so entworfen, daß Fehler möglichst auffallend und verheerend werden.“


Viel Hans Heinz Holz:

„Das Traditionsbewußtsein von Revolutionären steht im Plusquamperfekt.“2Hans Heinz Holz: Vom Kunstwerk zur Ware, Darmstadt und Neuwied 1973, S. 84.


Irgend jemand

„Zur Frage der Verständlichkeit. – Man will nicht nur verstanden werden, wenn man schreibt, sondern ebenso gewiß auch nicht verstanden werden. Es ist noch ganz und gar kein Einwand gegen ein Buch, wenn irgend jemand es unverständlich findet: vielleicht gehörte eben dies zur Absicht seines Schreibers – er wollte nicht von »irgend jemand« verstanden werden.“3Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Fünftes Buch. Wir Furchtlosen. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6313 (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 256) (c) C. Hanser Verlag


Mitten beim Romanschreiben

Und da war ich wieder: Am Ende der Wortschöpfungskette.


Ihr Oberschlauen

Unsterblich machen. – Wer seinen Gegner töten will, mag erwägen, ob er ihn nicht gerade dadurch bei sich verewigt.4Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Viertes Buch. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 5735 (vgl. Nietzsche-W Bd. 1, S. 1215) (c) C. Hanser Verlag http://www.digitale-bibliothek.de/b…


XIV, 2. Ein Herr über alles ist der, welcher die Macht hat, das, was er will, oder nicht will, anzuschaffen oder wegzuschaffen. Wer nun frei sein will, der muß weder etwas wollen, noch etwas nicht wollen von dem, was in anderer Leute Gewalt ist. Wo nicht, so muß er ein Sklave sein.5Epiktet: Handbüchlein der stoischen Moral.


„Wenn ein Mann die Hälfte eines Tages in den Wäldern aus Liebe zu ihnen umhergeht, so ist er in Gefahr, als Bummler angesehen zu werden; aber wenn er seinen ganzen Tag als Spekulant ausnützt, jene Wälder abschert und die Erde vor der Zeit kahl macht, so wird er als fleißiger und unternehmender Bürger geschätzt. Als wenn eine Gemeinde kein anderes Interesse an ihren Wäldern hätte, als sie abzuhauen!“6Henry David Thoreau: Die Welt und ich. Aus den Tagebüchern, Schriften und Briefen ausgewählt und übertragen von Fritz Krökel. Gütersloh: Bertelsmann, 1951. S. 225 [zit. nach wikiquote]


Was wir tun.
Was wir tun, wird nie verstanden, sondern immer nur gelobt und getadelt.7Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft. (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 158)


Richard Saus und Braus
Alpensinfonie: Wenn einer auf einem Kuhfladen ausrutscht und in der Pampae landet. Orchestermäßig gesehen sozusagen. [2006]


Gut gesagt
„Der schönen Welt ist nichts so unerträglich als das Erklären. Mir selbst ist es schrecklich genug, wenn einer zu erklären anfängt, denn zur Not verstehe ich alles selbst.“8Hegel: Wer denkt abstrakt? vgl. Hegel-W Bd. 2, S. 575)


Lesen 2007

Hypothesenkrise


Spinoza: Ethik (posthum 1677)

Siebzigster Lehrsatz
Der freie Mensch, der unter Unwissenden lebt, sucht so sehr als möglich ihren Wohltaten auszuweichen.

Einundsiebzigster Lehrsatz
Nur die freien Menschen sind gegeneinander recht dankbar.


Nietzsche: Irgend jemand

„Zur Frage der Verständlichkeit. – Man will nicht nur verstanden werden, wenn man schreibt, sondern ebenso gewiß auch nicht verstanden werden. Es ist noch ganz und gar kein Einwand gegen ein Buch, wenn irgend jemand es unverständlich findet: vielleicht gehörte eben dies zur Absicht seines Schreibers – er wollte nicht von »irgend jemand« verstanden werden.“9Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Fünftes Buch. Wir Furchtlosen. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6313 (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 256) (c) C. Hanser Verlag


Was Kant sagt:

“Die Bösartigkeit der menschlichen Natur ist also nicht sowohl Bosheit, wenn man dieses Wort in strenger Bedeutung nimmt, nämlich als eine Gesinnung (subjektives Prinzip der Maximen), das Böse als Böses zur Triebfeder in seine Maxime aufzunehmen (denn die ist teuflisch); sondern vielmehr Verkehrtheit des Herzens, welches nun, der Folge wegen, auch ein böses Herz heißt, zu nennen.” 10Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 3138 (vgl. Kant-W Bd. 8, S. 686)


Michel Foucault: Moralische Orthopädie

„Es gibt in der modernen Justiz und bei ihren Sachverwaltern eine Scham vor dem Bestrafen, die den Eifer nicht ausschließt, die aber ständig wächst: auf dieser Wunde gedeiht der Psychologe und der kleine Funktionär der moralischen Orthopädie.“11Michel Foucault, Überwachen und Strafen, Frankfurt/M. 32013, S. 712.


Wolfgang Koeppen: Bevölkerungsbeschwichtigung

Er meinte die Situation zu durchschauen: sie barg Gift und Bazillen. Was waren denn diese Siedlungen anderes als die nationalistischen Siedlungen der Kinderreichen, als SS- und SA-Siedlungen, nur billiger, nur enger, nur schäbiger, nur dürftiger? Und wenn man diese Blaupausen betrachtete, es war der Nazistil, in dem weitergebaut wurde, und wenn man die Namen der Baumeister las, es waren die Nazibaumeister, die weiterbauten, und Heineweg und Bierbohm hießen den brauen Stil gut und fanden die Architekten in Odnung. Das Programm des nationalsozialistischen Bundes der Kinderreichen war Heinewegs und Bierbohms Programm, es war ihre Bevölkerungsbeschwichtigung, es war ihr sozialer Fortschritt. (Koeppen, Das Treibhaus, 341)


On Facebook

2013: «Phil Glass und seine Patternwirtschaft»

 

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Fussnoten:

  • 1
    Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Drittes Buch. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6120 (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 151) (c) C. Hanser Verlag
  • 2
    Hans Heinz Holz: Vom Kunstwerk zur Ware, Darmstadt und Neuwied 1973, S. 84.
  • 3
    Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Fünftes Buch. Wir Furchtlosen. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6313 (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 256) (c) C. Hanser Verlag
  • 4
    Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Viertes Buch. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 5735 (vgl. Nietzsche-W Bd. 1, S. 1215) (c) C. Hanser Verlag http://www.digitale-bibliothek.de/b…
  • 5
    Epiktet: Handbüchlein der stoischen Moral.
  • 6
    Henry David Thoreau: Die Welt und ich. Aus den Tagebüchern, Schriften und Briefen ausgewählt und übertragen von Fritz Krökel. Gütersloh: Bertelsmann, 1951. S. 225 [zit. nach wikiquote]
  • 7
    Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft. (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 158)
  • 8
    Hegel: Wer denkt abstrakt? vgl. Hegel-W Bd. 2, S. 575)
  • 9
    Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Fünftes Buch. Wir Furchtlosen. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6313 (vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 256) (c) C. Hanser Verlag
  • 10
    Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 3138 (vgl. Kant-W Bd. 8, S. 686)
  • 11
    Michel Foucault, Überwachen und Strafen, Frankfurt/M. 32013, S. 712.