Ach was?
Den einen oder die andere wird es vielleicht überraschen, aber manchmal erstaunt doch eine gewisse Einsichtsfähigkeit auf Seiten der Musikindustrie. DG-Chef Clemens Trautmann wird in einer dpa-Meldung so zitiert:
Die klassische Musikindustrie sieht sich als Baustein in der Annäherung junger Menschen an Kulturwelten. „Auch als marktführendes Label können wir natürlich nicht Abertausende von ausgefallenen Musikstunden in den Schulen kompensieren“, sagte Clemens Trautmann, Labelchef der Deutschen Grammophon, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
So steht es im Newsbereich der neuen musikzeitung. Jetzt fragt man sich vielleicht, ob das irgendwer jemals erwartet hätte. Aber komischerweise geht es dem Labelchef eigentlich auch gar nicht darum, sondern nur darum, das Jubiläum der Firma ins Spiel zu bringen. Die Deutsche Grammophon wird nämlich 125 Jahre alt. Das wird in der Meldung ganz beiläufig untergebracht. Ebenso wie eine gewisser Stolz auf das gerade geleistete:
„Was uns aber schon ganz gut gelingt ist, dass wir mit unserer jungen Künstlergeneration sehr erfolgreich auf Kurzform-Videoplattformen wie Youtube Shorts unterwegs sind.“
Klatsch, klatsch, klatsch! Ein Label reklamiert einen Erfolg für sich selbst. Der Ausfall von Musikunterricht an Schulen ist übrigens ein Superdauerthema, denn die Zeiten waren immer schon so. Im Schatten der aktuellen PISA-Studie springt man aber gerne mal wieder auf den Zug auf (wie auch aktuell der Deutsche Musikrat). Also Versagen von schulischer Bildung an und für sich. Zumindest hier vor Ort. Auch wenn der Bereich Musik nicht getestet worden ist oder andere Fähigkeiten.
Aber seine Labelwelt bietet uns Verlorenen auch ganz andere Dinge an: Niederschwelliger Zugang zur Musik dank Musikstreaming, es stehe „für gelebte Völkerverständigung ohne nennenswerte geografische und politische Grenzen“. Darüberhinaus:
„Unsere Kunstform repräsentiert vieles, was die Menschen heute brauchen: Ruhe und Versenkung in einer doch sehr lauten, lärmigen Welt, die Fähigkeit zum differenzierten Wahrnehmen, zum Zuhören.“
Dafür ist dann auch jedes Mittel recht. Zu denken geben sollte es dem Labelchef allerdings, dass bereits kurz nach der Wiederveröffentlichung der legendären Schallplattenreihe „Avantgarde“ auf CD im September dieses Jahres, dieser Schuber nicht mehr erhältlich ist im Handel.
Aber immerhin gestreamt: