Ein bisschen durchgeknallt sind sie in Berlin ja doch. Nach 16 Jahren konservativer Restauration in den Händen von CDU/CSU, SPD und FDP, gehen in der Kultur die Türen auf und es zieht ein bisschen, und es zischt dazu. Die GRÜNEN/Bündnis 90 in Person von Kathrin Göhring-Eckardt wünschen sich einen Parlaments-Poete*in ans hohe Haus, das der Bevölkerung gewidmet ist.
Oden wie von Becher, Epigramme wie von Goethe, Phrasenkotze wie von Baldur von Schirach? Aber Obacht geht vor Ohnmacht, man wünscht sich ja nicht eine Regierungspoetien, sondern eben eine*n des Parlaments. Zeile für Zeile, Vers für Vers, Fraktion für Fraktion. Das muss einfach in die Brüche gehen.
Doch zur Erinnerung: Seit ein paar Jahren haben wir allerdings in und mit Igor Levit einen Parlamentspianisten am Start, in und mit Till Brönner einen akustischen Trötmolch an der Rezeption des Bundespräsidialamts für die ganzen grauen und blauen Stunden zwischen Mitternacht und Null Uhr. Mit der Fraktion der AfD haben wir sogar eine unfreiwillige Rapper*innen-Truppe, die im Ressentitititimententntt-Rappitititititierrrrrrren immer gleicher Sprachaussülzungen bereitwillig und (noch) kostenlos für unkomische Momente in Steinzeitprosa sorgt.
Moment, da wäre glatt noch ein Platz am Katzentisch der Possen frei für einen Parlamentskomponistin. Jörg, hörst Du nicht wie der Carillon-Turm nach Dir verlangt und der Kubicki (hat der eigentlich überhaupt einen Vornamen?) nach einem „Klagenden Lied“ für seine Stammkneipe dürstet. Vielleicht wäre es mal Zeit, einen Schlager zu probieren. Dass Du das könntest, wissen wir, weil Du einfach alles kannst.
Als ob wir nicht andere Probleme hätten als eine ästhetische Durchseuchung der Politik auf die Agenda zu setzen.
Abgelehnter Cluster. So what? Was soll denn der ganze Quark? Man kann natürlich das auch ganz langsam und zum Mitschreiben aufdröseln. Es bleibt meines Erachtens dabei: Kunst und Regierungs- oder Parlamentshandeln gehen einfach nicht zusammen. Heute schreibt die Irgendwer ein Poem, morgen dann der Tellkamp?
Und ja und nein. Mir ist Politik fast egal. Es geht um richtige und um falsche Verstrickungen. Kunst muss frei bleiben.