204 Minuten!
KulturData hat mich heute früh darauf aufmerksam gemacht, dass gestern die ARD/ZDF-Onlinestudie 2020 erschienen ist. Da steht zum Beispiel drin:
„Die tägliche Zeit, die die Menschen im Internet verbringen, wird auf Basis eines Tagesablauf-Modells berechnet und liegt in diesem Jahr mit einem Plus von 11 Minuten bei 204 Minuten. 120 Minuten entfallen auf das mediale Internet (plus 21 Minuten). Insbesondere in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen (Internetnutzung gesamt: 388 Minuten, plus 18 Minuten) hat sich die Nutzungsdauer von Online-Angeboten aus dem Bereich des medialen Internets um fast eine Stunde auf über 4 Stunden (257 Minuten, plus 50 Minuten) erhöht. Die restliche Zeit entfällt zum Beispiel auf Chatten, Spielen oder Shoppen im Internet.“
ARD/ZDF-Onlinestudie 2020
Das sind drei Stunden und 24 Minuten. Bei den jungen Mitmenschen sind es sechs Stunden und 28 Minuten. Alles gute Zeit für Bildung und Kultur. Das ist toll.
Schön wäre es jedenfalls, wenn es so wäre. Und, Überraschung!, vielleicht ist es sogar so? Die Ergebnisse der Studie hat Dennis Horn in einem WDR-Blog gut zusammengefasst. Aber selbst interpretieren hilft mehr. Das werden wir nachholen.
Interessant werden die Daten, wenn man sie in Beziehung setzt. Beispielsweise mit der Postbank-Jugend-Digitalstudie 2020. In der Pressemeldung, die seit Juli bei mir auf Bearbeitung wartet liest man:
„Neben WhatsApp, YouTube & Co. nutzen die Jugendlichen aber auch die klassischen Medien. Auf diese setzen sie insbesondere, wenn es um aktuelle Nachrichten und Meinungsbildung geht. So vertrauen 59 Prozent der Teenager auf die Online-News von seriösen Medien wie spiegel.de oder ard.de. Das ist ein Anstieg um sechs Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Darüber hinaus verlassen sich 46 Prozent auf die Berichterstattung von Tageszeitungen und Wochenzeitschriften. Und 45 Prozent halten Fernsehbeiträge für vertrauenswürdig. Soziale Medien schneiden hingegen deutlich schlechter ab. Nur jeder Vierte hat bei YouTube-Clips keinerlei Bedenken. Beiträge auf Instagram stellen zwölf Prozent nicht infrage. Bei Twitter-Posts sind es sogar lediglich sechs Prozent und bei Facebook drei Prozent.“
Postbank-Jugend-Digitalstudie 2020
Das ist so krass! Und zeigt ein Missverhältnis auf. Obwohl die Jugendlichen keinen Pfifferling auf die Wahrheit von Informationen in den sozialen Medien geben (interessant wäre ein Vergleich mit älteren Gruppen), sind diese in den klassischen Medien deutlich präsent, als ob es sich dabei um Nabel-der-Welt-Phänomene handelte – und so werden Shitstorms aus den Kriechkellern der Informationsindustrie (wie Twitter oder Facebook) plötzlich zu allgemeinen Themen. Die, die diese Medien nutzen, durchschauen sie besser, als man vermuten würde. Und ehrlich: Alle von uns durchschauen das, glauben aber, andere täten das nicht. Wie absurd.
Dialektisch wird es in dem Moment, wo man sich fragt: Warum nutzen so viele Menschen Dinge, von denen sie wissen, dass sie denen nicht vertrauen (können). Meine simple Vermutung: Entertainment und Gaffgierde.