Auch das kann man kaum fassen. In einer Stellenanzeige der “Internationalen Händel-Festspiele Göttingen GmbH” wird eine Assistenz im künstlerischen Betriebsbüro gesucht. Die Tätigkeiten sind umfangreich, es ist ja auch eine komplexe Tätigkeit.
Mitbringen sollte man ein “Abgeschlossenes Studium, vorzugsweise in Musikwissenschaft/Kulturmanagement o.ä. bzw. eine abgeschlossene Ausbildung mit vergleichbarem Inhalt und erste Berufserfahrung im Kulturmanagement”. 38,5-Stunden-Woche ist eh klar. Berufseinsteiger sind erwünscht und eine Art Gehalt gibt es auch noch obendrauf.
Die Vergütung erfolgt auf Mindestlohnbasis. Also 8,84 Euro. Das sind laut Mindestlohnrechner des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 1.475 Euro im Monat. Da möchte man nicht wissen, wie hoch der Betrag gewesen wäre, wenn es den Mindestlohn noch nicht gäbe. Achja, befristet ist das Ganze auf sechs Monate.
Wenn man es vorsichtig positiv interpretieren möchte, dann handelt es sich um ein Praktikum nach Ausbildung. Oder Basis meint hier simpel, ein Vielfaches davon ist zu erwarten. So ist das eben im Betrieb, so haben alle angefangen, wenn nicht sogar noch schlimmer.
Heute ist das ja sowieso der Bachelor und der ist ja schnell gemacht, wenn man genug Zeit hat. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, selbst wenn sie vorbei sind.
Und man muss bedenken, der Händel hatte es auch nicht immer ganz leicht. Im Gegenteil.
Dazu der Geschäftsführende Intendant der Int. Händel-Festspiele Göttingen Tobias Wolff:
„Es ist bedauerlich, dass der Autor im Vorfeld nicht den direkten Kontakt zu uns gesucht hat. Im persönlichen Gespräch hätte ich ihm die Hintergründe der Ausschreibung erläutern und seine Vorwürfe entkräften können.
Bei dem aktuellen Fall handelt es sich mitnichten um eine Spitzenposition im Kern-Team des Festivals. Ehemals Halbjahrespraktikum wurde die ausgeschriebene Stelle im Rahmen der Mindestlohneinführung zu einer befristeten Anstellung auf Mindestlohnbasis umgewandelt, die Studierenden und Absolventen den Einstieg in das Berufsleben erleichtern soll. Auch bei anderen Kulturinstitutionen in ganz Deutschland wurden ehemalige bezahlte Praktika oder Volontariate in eine zeitlich befristete Beschäftigung auf Mindestlohnbasis umgestellt, nicht zuletzt auch, um eine Rechtssicherheit zu schaffen.
Mit den unterschiedlichen Gremien stehen wir im Übrigen seit einiger Zeit in konstruktiven Gesprächen, auf meine eigene Initiative hin wird dort die Vergütung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überprüft und neu bewertet.
In der Vergangenheit haben ähnliche Positionen wie die aktuell ausgeschriebene entweder als Einstieg in eine unbefristete Festanstellung bei den Festspielen gedient oder als Sprungbrett für eine Weiterentwicklung bei anderen Arbeitgebern. Dabei genießen die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen als Ausbildungsstätte für junge Kulturmanager einen ausgezeichneten Ruf. Ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mittlerweile in den unterschiedlichsten Funktionen beim Deutschen Theater Göttingen, dem Göttinger Symphonie Orchester, der Staatsoper Hannover, den Niedersächsischen Musiktagen, dem Rheingau Musikfestival sowie bei zahlreichen deutschen Stadttheatern und Festivals beschäftigt. Die meisten stehen weiterhin in freundschaftlichem Kontakt zu den Internationalen Händel-Festspielen Göttingen.“
(in ähnlichem Wortlaut am 31.10.2017 veröffentlicht unter http://www.facebook.com/Internationale.Haendel.Festspiele.Goettingen/posts/1837770739586385)
Sehr geehrter Herr Wolff, vielen Dank für die Erklärungen. Meines Erachtens hätte es genügt, wenn Sie gesagt hätten, dass man mit der aktuellen Lösung auch nicht so sehr zufrieden ist. Denn, das ist ja kein Einzelfall sondern durchzieht die gesamte Branche. Traurig genug.