Ich glaube, es gilt ein grundlegendes Missverständnis aufzulösen. Recht und Kunst kommen nicht zur Deckung. Gerade vorausschreitende Kunst ist häufig nicht mit Mitteln des Rechts zu fassen. Offenbar sind ja Kunstgegenstände wie das “Schwarze Quadrat” von Malewitsch oder Fountain von Marcel Duchamp nicht durch das Urheberrecht als Werke geschützt, so wenig wie John Cages 4’33”. Aber, dass es sich um Gegenstände der Kunst handelt, die auch kommunikativen Einfluss hatten, also kunstgeschichtliche Relevanz haben, dürfte allgemein außer Zweifel stehen.
Punkt I – Kunst läuft dem Recht davon
Aber fällt damit nicht am einen Ende das Urheberrecht aus seiner Funktion. Das Recht schützt eben Urheber, aber der Schutzgegenstand, das Werk, ist mit den Mitteln der Sprache gefasst, damit es im Rechtssystem seinen Ort finden kann. Es wäre ja auch dumm, wenn das Recht nicht diskursiv wäre oder es jedes Mal neu erfunden werden müsste.
Aber genau das verlangt neue Kunst ja! Sie wird nicht dafür geschaffen, um dem Recht zu gefallen, sondern um Kunst (oder Anti-Kunst), auf jeden Fall im gesellschaftlich und auch im Kunstsystem sich einzubinden.
Jazz
Nach wie vor trifft das auch auf improvisierte Musik zu. Man hat wohl da verschiedene Probleme, insbesondere im Jazz, zu sehen. Ein Improvisation, nehmen wie man „Ascension“ von Coltrane (+ Septett) stellt für sich, nach Abschluss der Aufnahme, ein selbständiges Werk da. Jedoch dürfte es einigermaßen unwahscheinlich sein, dass diese so komplett ein zweites Mal sich ereignen wird, es sei denn, als reine Reproduktion in Form des Abspielens vom Tonträger. Wenn man so will, leidet das Kunstwerk an seiner Einmaligkeit. Es leidet an der Urheberschaft, denn die ist durch acht Musiker gegeben, die das spontan spielen.
Die schlechte Bewertung macht sich auch in den Verwertungsketten bemerkbar. Improvisierte Musik zählt bei der GEMA weniger. Sie passt auch vielfach in keinen Abrechnungsrahmen, wenn Dauer und Besetzung beliebig sind, diese aber zum Beispiel konkrete Bewertungskriterien für die Abrechnung sind.
An Kunst, die nicht zu fassen ist, und was wäre Kunst, wenn sie zu fassen wäre, beißen sich Recht und Abrechnung die Zähne aus. Recht und Abrechnung funktionieren nur bei fixierten und fixierbaren Größen. Nur! Gut, das sind wohl eher 99 Prozent der Kunst-Anwendungen, geschätzt.
Punkt II – Der Ort der Abrechnung
Man schaue sich einmal an, in welcher Kunstsphäre überhaupt die regelmäßig größten Probleme und Rechtsstreitereien finden. Es ist nicht die sogenannte E-Musik, es ist in der Musik überhaupt eher die an “Melodie” orientierte Musik – meistens kommerzielle oder kommerziell vermarktete Musik. Sampling-Probleme, Melodieklau. In der Bildenden Kunst geht es viel häufiger um Fragen des Plagiats – wer macht wem was nach? Mit genau so absurden Entscheidungen. In der Literatur ist auch das Plagiat ein häufiger auftretendes Problem. Oder der Nachdruck unerlaubt, im allgemeinen die Vervielfältigung ohne Erlaubnis.
Für Wirtschaftsgüter ist es natürlich gut, wenn sie nicht frei flottieren. Dem Urheber könnte es hingegen egal sein, sofern die Nachdrucker auch ihm sein Honorar geben und das führt zu
Punkt III – Verbreitung und Verkauf
Was zählt mehr, die Verbreitung eines in Werken gefassten Gedankens oder dessen Verwertung, also Umwandlung in Geldwerte. Warum schreiben so viele Leute ins Internetz? Weil sie damit Geld machen wollen, oder weil sie irgendwas „Geistiges“ verbreiten wollen. Die schmeißen ihr geistiges Eigentum einfach so weg, damit es irgendwer aufliest – und weiterträgt, und sei es im eigenen Herzen. Für andere ist es Arbeit, die entlohnt werden soll und muss, sie arbeiten im Auftrag.
Aber was zählt als Motivation mehr: Kohle oder Vervielfältigung?
Punkt IV – Die Welt ist schlecht
Wenn sich alle besser respektieren wollten, hätten wir nicht das Problem. Aber Geld und Respekt, wie geht das zusammen? Kunst und Geld? Dazu dürfte das Geld aber nicht vergiftet sein; ebenso nicht die Werke.