Da hat man nun den Salat. Wegen schlechter Witterung fand die Revolution in der Rechtschreibung statt. Nur ist das nicht einmal eine Revolution, die zurück ist keine nach vorne, die nach vorne ist keine zurück. Auch ist die Rechtschreibreform kein Reform sondern nur eine Änderung. Den Fehler, dies als jenes auszuzeichnen, haben sie alle gemacht. Jetzt hat man den Salat.
Jetzt machen FAZ, Spiegel und Springer-Verlage ihre Lösung, einige schon immer, andere jetzt neu. Das wäre alles kaum von Interesse, wenn nicht einige wirklich Leidtragende sind, die Schüler nämlich. Die lernen das eine, lesen im anderen Fall das andere. Wem ist damit geholfen? Denen, die sich in den Vordergrund spielen und – nunja, wir habe das Sommerloch – sonst nix hochspielen können. Kinderkram ist das nicht. Es ist affig, ein tumber Tanz ums hölzerne Kalb.
Ach und weh, dann die Fragen der Ästhetik: Schifffahrt sehe nicht so dolle aus. Blauäugig sieht natürlich besser aus, Seeigel sowieso. Das sieht so und so nicht aus. Sauerstoffflasche sieht natürlich immer super aus. Im Zweifel hilft eine Ligatur. Da steh’ ich nun, ich alter Thor und möcht die Schreibung als wie zuvor. Das ist die höchste Nothwendigkeit allenthalben. Ach nein, davon hat niemand eine Ahnung, der nicht spricht wie es der Gedanke will. Hölderlin hat es besser gewusst:
Ja nun!Zwischen dem Ausdruke (der Darstellung) und der freien idealischen Behandlung liegt die Begründung der Bedeutung des Gedichts. Sie ists, die dem Gedichte seinen Ernst, seine Vestigkeit, seine Wahrheit giebt, sie sichert das Gedicht davor, daß die freie idealische Behandlung nicht zur leeren Manier, und Darstellung nicht zur Eitelkeit werde.1Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke – Kritische Textausgabe, Band 14 (Entwürfe zur Poetik), Darmstadt/Neuwied 1984, S. 1451
Liegt nicht eben hierin der veste Punct, wodurch der Folge der Zeichnung ihrer Verhältnißart, und den Lokalfarben wie der Beleuchtung ihr Karakter und Grad bestimmt wird?
Wird nicht alle Beurtheilung der Sprache sich darauf reducieren, daß man nach den sichersten und möglich untrüglichsten Kennzeichen sie prüft, ob sie die Sprache einer ächten schön beschriebenen Empfindung sei?2a. a. O., S. 157
Aber ja. Ich könnte, wenn ichs könnte, nun ausrufen: Zurück zur Rechtschreibung eines Hölderlin zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Rettet die Deutsche Sprache in den Grenzen von 1944, 1989, 1902, 1998, 1805?
Fehler in der Sprache, Fehler in der Orthographie, Fehler wohin man sieht. Es hat geradezu den Anschein, dass der Fehler das einzige ist, was die Sprache zusammenhält. Wenn die deutsche Sprache freilich nur noch dazu geeignet erscheint, Fehler bei ihrer Beherrschung ausfindig zu machen, wenn Sprache zu Angstzuständen führt. Wenn Sprachschützer verhindern, dass nur noch Gedanken zu gelten haben, die dem Regelwerk der verordneten Sprache entsprechen – unabhängig von ihrem Gehalt, dann begeben wir uns auch in diesem “freien Gebiet des Geistes” und die Kontrolle einer Herrschaft des Gesetzes, wo man es am wenigsten nötig hätte.
Jetzt trägt man die Früchte dessen, dass man nicht die Menschen lehrt zu denken sondern sie häufig genug allein noch lehrt: zu folgen, sich anzupassen. Hölderlin hat darauf still gepfiffen. Nicht nur er.
Fussnoten:
- 1Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke – Kritische Textausgabe, Band 14 (Entwürfe zur Poetik), Darmstadt/Neuwied 1984, S. 1451
Ja nun!
Liegt nicht eben hierin der veste Punct, wodurch der Folge der Zeichnung ihrer Verhältnißart, und den Lokalfarben wie der Beleuchtung ihr Karakter und Grad bestimmt wird?
Wird nicht alle Beurtheilung der Sprache sich darauf reducieren, daß man nach den sichersten und möglich untrüglichsten Kennzeichen sie prüft, ob sie die Sprache einer ächten schön beschriebenen Empfindung sei?2a. a. O., S. 157 - 2