25. Dezember 2024 Alles muss raus!

Web-Watch 2002/04: Tauschen und Spionieren

Noch während des Drucks der letzten nmz hat sich im so genannten Tauschbörsengeschäft einiges Merkwürdiges getan. Eines der beliebtesten Tauschbörsensysteme, Morpheus, funktionierte plötzlich nicht mehr. Grund dafür war kein Rechtsproblem, sondern ein Konkurrent auf dem Markt, der einfach die technischen Gegebenheiten der Tauschbörse verändert hat: KaZaA. Angeblich sollen aufgelaufene und unbezahlte Rechnungen zu dieser „Aussperrung“ geführt haben. Und angeblich soll diese Vermutung auch nicht stimmen. Gut eine Woche war Morpheus vom Tauschnetz abgehängt. Dann entschied man sich dort, die Technologie zu wechseln.

Die neue Morpheus-Software-Oberfläche basiert seither auf der Technologie des Gnutella-Netzwerkes. Gnutella startete ja vor anderthalb Jahren als Nachfolger des Napster-Systems, nachdem dieses mehrfach in Bedrängnis kam und schließlich von der Bertelsmann Group aufgekauft wurde. Gnutella war jedoch lange Zeit technisch gesehen für die Nutzer ziemlich kompliziert zu bedienen. Erst mit Programmen, die die Kommunikation zwischen den Tauschern vereinfachten, kam Gnutella richtig zurück ins Spiel: Zum Beispiel mit dem Programm „LimeWire“. Der Umstieg von der Morpheustechnologie zum Gnutella-Netzwerk führte unmittelbar zu einer neuen, hohen Attraktivität dieses Systems. Auf diese Weise erfuhr das Gnutella-Netz unerwartet hohe neue Nutzerzahlen – und damit einen starken Zugewinn an angeblich tauschbaren Gütern: Von Software, über Musik-MP3-Files bis hin zu Videos.

Doch um Morpheus wird es nicht still. Die Mailingliste zu Fragen der zivilen Freiheit im Netz, q-depesche, schreibt, dass Morpheus Spyware sei, also eine Software, die wie eine Spion ihre Nutzer ausspäht: „StreamCast, Vertreiber der File-Sharing-Software Morpheus und Betreiber des Musikportals MusicCity, installiert gemeinsam mit der Morpheus-Software auch ein Marketingprogramm, das Informationen über die Surfgewohnheiten der User sammelt. … Mit Hilfe des Browser-Add-on wird gezählt, wie oft Morpheus-User bestimmte Seiten [unter anderem Radio shack.com, eBay.com, Amazon.com, Toysrus.com] besuchen. Das Programm arbeitet unsichtbar für den User.“

Von der rechtlichen Problematik der Tauschbörsen abgesehen, stellen sich damit auch ganz andere Probleme ein, die man aus der Software-Branche gewohnt ist. Die Privatsphäre der Software- und Internetnutzer wird ausgehöhlt. Im Dienste der Sicherheit? Das ist wohl eher nicht anzunehmen.

KaZaA-Bedienoberfläche zeigt alle zum Tausch angebotenen Dateien eines Nutzers an.
KaZaA-Bedienoberfläche zeigt alle zum Tausch angebotenen Dateien eines Nutzers an.

Ohnehin sind die Tauschbörsen wie KaZaA raffinierte Spähdienste zur Erkenntnis dessen, was da so getauscht wird. Man kann dort nicht nur nach tauschbaren Gütern suchen, sondern auch die Festplatten der Nutzer nach dem Material durchsuchen, welches sie bereitstellen. Beim Nutzer mit dem Namen rxxx[xyz]@kazaa.com finden sich Stücke von Störkraft (einer indizierten neonazistischen Band) neben denen von den Ärzten und von Rolf Zuckowski (!). Merkwürdige Mischung. Das Bild zeigt aber auch den Umfang der gesamten Tauschaktivitäten bei KaZaA. So greifen bei der Abspeicherung des Bildschirms gerade über eine Million Nutzer auf die Tauschbörse zu und stellen insgesamt über eine Million Gigabyte an Daten zum Tausch bereit. Die Tauschbörsen-Software dient dem Anbieter vor allem zum Geldverdienen. Wenn fast zu jedem Zeitpunkt so viele Nutzer diese Software nutzen, dann ist diese Software einfach auch eine interessante Werbeplattform. Zu Zeiten der 0190-Dialer gilt daher, lieber einmal zu vorsichtig, als arm oder gläsern.


Zuerst erschienen in nmz 2002/04

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