Gestern während einer Zugfahrt, bei der Lektüre einiger Dichtungen von Alfred Lichtenstein, fiel mir das erste mal ein Gedicht mit dem Titel „Die Plagiatoren” auf. Darin geht es um die Zusammenarbeit aller bei der Findung oder Erfindung von Menschen mit Menschen.
Die Plagiatoren
Ein jeder ist ein Teil vom Schicksal anderer,
Die vor ihm waren und die um ihn gehen,
Die auch nur einmal, eilge Weiterwanderer,
Den Weg ihm kreuzend, flüchtig bei ihm stehen.
Sie kommen, kommen ohne Zweck und Sinn,
Entfernen sich mit leichtem Wanderschritt.
Sie bringen alle etwas zu ihm hin.
Sie nehmen alle etwas von ihm mit.
Aus: Die Gedichte des Aliwi (5.1.1912)
Die Rubrik hier findet ihren Ursprung in einer Redaktionsreaktion. Ich meinte, man müsse den Begriff der Kreativität (und ihres Wertes) abziehen vom Verfahren des Urheberrechts oder von Verwertung. Das sei falsch, bdeutete man mir. Darauf meinte ich, es habe schließlich auch Kreativität in einer Zeit gegeben, als es noch kein Urheberrecht oder ähnliches gegeben habe. Die Reaktion: Das sein ein Killer-Argument, darüber müsse man erst nachdenken. Es scheint mir wirklich so zu sein, dass Fragen der Verteilung und Verbreitung geistigen Schaffens erst in der letzten Zeit von Fragen des Rechts und seiner Verwertung überlagert worden sind. Und das auch in dieser Form vielleicht erst seit wenigen Jahren. Darauf bezog sich schon der Eintrag “Adorno und das Urheberrecht” in diesem Weblog. Adorno war das alles im Wesentlichen Wurscht – zumindest in dieser Begrifflichkeit. Bei im geht es eher mal um die Frage des "gerechten bzw. ungerechten Tausches.”
Nun gibt es auch Äußerungen von Blaise Pascal oder Johann Wolfgang von Goethe, die ganz ähnlichen Charakters sind wie Lichtensteins Gedicht hier. Ich werde das gelegentlich noch aufbereiten.
Was mich bei Lichtenstein zunächst erstaunte, war, das dieses Gedicht „Die Plagiatoren” heißt. Vor Plagiaten oder Plagiatoren hatte schließlich auch Hegel Respekt, im Sinne, dass sie, die Plagiatoren, seine, Hegels Texte unter anderem Namen veröffentlichen könnte. Das sei schon ziemlich schlimm, aber es genüge auch, wenn sie nachgedruckt würden, ohne dass er es mitbekommen hätte. Neben dem Schmücken mit falschen Blumen und möglichen engangenen Honoraren war dabei auch das Problem geshen, dass eine Diskussion der Inhalte ohne sein Wissen laufen könnte. Aber auch dazu später einmal mehr.
Lichtenstein hats in seinem Gedicht sehr einfach und einleuchtend beschrieben. Menschen kommen zusammen, Menschen bauen auf dem Wissen anderer Menschen auf. Die Wege kreuzen sich flüchtig und man nimmt davon eben etwas mit. Gerade so, wie wenn man abends (oder überhauupt) mit irgendwem sich unterhält. Das Gesagte wird mehr oder weniger deutlich die Herausbildung neuer Gedanken oder abweichender hervorbringen – oder vergessen oder später wirksam. “Ein jeder ist ein Teil vom Schicksal andrer. … Sie bringen alle etwas zu ihm hin. / Sie nehmen alle etwas von ihm mit.” Das Ganze ist wie selbstverständlich und so lapidar formuliert es Lichtenstein auch, als wäre es das Normalste von der Welt. Offensichtlich steckt hinter der Lichtensteinschen Auffassung etwas andere als die Angst Hegels. Zum Plagiator wird bei Lichtenstein eigentlich jeder, der jemals mit der Außenwelt in Kontakt gerät. Damit verliert die negative Konnotation des Plagiators ihren Sinn: Man kann nichts anderes sein als auch ein Plagiator.
(to be continued)
Gestern während einer Zugfahrt, bei der Lektüre einiger Dichtungen von Alfred Lichtenstein, fiel mir das erste mal ein Gedicht mit dem Titel „Die Plagiatoren” auf. Darin geht es um die Zusammenarbeit aller bei der Findung oder Erfindung von Menschen mit Menschen.
Die Plagiatoren
Ein jeder ist ein Teil vom Schicksal anderer,
Die vor ihm waren und die um ihn gehen,
Die auch nur einmal, eilge Weiterwanderer,
Den Weg ihm kreuzend, flüchtig bei ihm stehen.
Sie kommen, kommen ohne Zweck und Sinn,
Entfernen sich mit leichtem Wanderschritt.
Sie bringen alle etwas zu ihm hin.
Sie nehmen alle etwas von ihm mit.
Aus: Die Gedichte des Aliwi (5.1.1912)
Die Rubrik hier findet ihren Ursprung in einer Redaktionsreaktion. Ich meinte, man müsse den Begriff der Kreativität (und ihres Wertes) abziehen vom Verfahren des Urheberrechts oder von Verwertung. Das sei falsch, bdeutete man mir. Darauf meinte ich, es habe schließlich auch Kreativität in einer Zeit gegeben, als es noch kein Urheberrecht oder ähnliches gegeben habe. Die Reaktion: Das sein ein Killer-Argument, darüber müsse man erst nachdenken. Es scheint mir wirklich so zu sein, dass Fragen der Verteilung und Verbreitung geistigen Schaffens erst in der letzten Zeit von Fragen des Rechts und seiner Verwertung überlagert worden sind. Und das auch in dieser Form vielleicht erst seit wenigen Jahren. Darauf bezog sich schon der Eintrag “Adorno und das Urheberrecht” in diesem Weblog. Adorno war das alles im Wesentlichen Wurscht – zumindest in dieser Begrifflichkeit. Bei im geht es eher mal um die Frage des "gerechten bzw. ungerechten Tausches.”
Nun gibt es auch Äußerungen von Blaise Pascal oder Johann Wolfgang von Goethe, die ganz ähnlichen Charakters sind wie Lichtensteins Gedicht hier. Ich werde das gelegentlich noch aufbereiten.
Was mich bei Lichtenstein zunächst erstaunte, war, das dieses Gedicht „Die Plagiatoren” heißt. Vor Plagiaten oder Plagiatoren hatte schließlich auch Hegel Respekt, im Sinne, dass sie, die Plagiatoren, seine, Hegels Texte unter anderem Namen veröffentlichen könnte. Das sei schon ziemlich schlimm, aber es genüge auch, wenn sie nachgedruckt würden, ohne dass er es mitbekommen hätte. Neben dem Schmücken mit falschen Blumen und möglichen engangenen Honoraren war dabei auch das Problem geshen, dass eine Diskussion der Inhalte ohne sein Wissen laufen könnte. Aber auch dazu später einmal mehr.
Lichtenstein hats in seinem Gedicht sehr einfach und einleuchtend beschrieben. Menschen kommen zusammen, Menschen bauen auf dem Wissen anderer Menschen auf. Die Wege kreuzen sich flüchtig und man nimmt davon eben etwas mit. Gerade so, wie wenn man abends (oder überhauupt) mit irgendwem sich unterhält. Das Gesagte wird mehr oder weniger deutlich die Herausbildung neuer Gedanken oder abweichender hervorbringen – oder vergessen oder später wirksam. “Ein jeder ist ein Teil vom Schicksal andrer. … Sie bringen alle etwas zu ihm hin. / Sie nehmen alle etwas von ihm mit.” Das Ganze ist wie selbstverständlich und so lapidar formuliert es Lichtenstein auch, als wäre es das Normalste von der Welt. Offensichtlich steckt hinter der Lichtensteinschen Auffassung etwas andere als die Angst Hegels. Zum Plagiator wird bei Lichtenstein eigentlich jeder, der jemals mit der Außenwelt in Kontakt gerät. Damit verliert die negative Konnotation des Plagiators ihren Sinn: Man kann nichts anderes sein als auch ein Plagiator.
(to be continued)
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Ich wusste, dass die Welt klein ist aber das Internet ist es wohl auch.
Schwund
das stimmt, es könnte sogar sein, dass alles immer kleiner wird. noch wird es nicht so recht bemerkt.