6. März 2025 Alles muss raus!

Naturgeschichte nach Péret

Es gehört zu den wunderbaren Eigenschaften mancher Eltern, dass sie früher einmal Bücher ohne Maß angeschafft haben. Kein Remittendenstand wurde ausgelassen und vieles angeschafft, ohne dass auch nur ein Blick in die Bücher tiefer fiel. Das Andersch-Lesebuch mag so eines gewesen sein, denn man findet hier eben nicht die großen Namen – immerhin der halbgroßen und andersgroßen (von Engels über Benjamin zu Péret). Andersch selbst kommentiert den Text so an: „Einen Blick auf die Ruinen der Naturwissenschaft gewinnt man bei der Lektüre von Benjamin Pérets ‚Naturgeschichte‘. Sie liefet den Beweis, daß es auch eine surrealistische Beschreibung gibt. Dieser automatische Text beweist ferner, daß Beschreibung auch nicht auf Charme und Humor verzichten braucht. Wer nicht an bestimmten Stellen von Pérets ‚Naturgeschichte‘ in Gelächter ausbricht, darf mit Recht von sich sagen, er sei ein durch und durch ernster Mensch.“

II. Die Luft

Die Luft sondert in ihrem Normalzustand dauernd Pfeffer ab, der die Erde zum Niesen bringt. Auf der Höhe des Erdbodens verdichtet sich der Pfeffer, bis er im Sommer die Bagatelle und im Winter die Zeitung liefert. Es genügt dann, die Letzte ins Freie zu legen, damit sie sich in einen Bahnhof oder je nach Anzahl ihrer Seiten in einen Schwamm verwandelt. In einer Luftschicht von zweitausend Metern verdichtet sich der Pfeffer gleicherweise und fällt so als unmerklicher Staub zur Erde zurück, daß niemand ihn wahrnimmt. Weiter ober ernährt der Pfeffer die Sterne, denen er ihren Glanz verleiht. … In einen Wandschrank eingeschlossen neigt die Luft dazu, aus ihm zu entweichen, um, wenn es ihr gelingt, an der Tür in Gestalt eines solchen Pilzes ihr Leben auszuhauchen, wie er heute allgemein gegen Runzeln gebraucht wird.

Benjamin Péret: Naturgeschichte, zit. nach: Alfred Andersch, Mein Lesebuch, Frankfurt/M. 1979, S. 120 f.

Ein kurzer Lebenslauf von Benjamin Péret klärt darüber auf, dass der Text aus dem Jahr 1958 stammt. Gerne hätte ich ihn ganz und ins Deutsche übertragen in meinem Regal, aber offenbar wird das schwierig. Immerhin weiß auch ich jetzt, dass ich kein durch und durch ernsthafter Mensch bin.

Es gehört zu den wunderbaren Eigenschaften mancher Eltern, dass sie früher einmal Bücher ohne Maß angeschafft haben. Kein Remittendenstand wurde ausgelassen und vieles angeschafft, ohne dass auch nur ein Blick in die Bücher tiefer fiel. Das Andersch-Lesebuch mag so eines gewesen sein, denn man findet hier eben nicht die großen Namen – immerhin der halbgroßen und andersgroßen (von Engels über Benjamin zu Péret). Andersch selbst kommentiert den Text so an: „Einen Blick auf die Ruinen der Naturwissenschaft gewinnt man bei der Lektüre von Benjamin Pérets ‚Naturgeschichte‘. Sie liefet den Beweis, daß es auch eine surrealistische Beschreibung gibt. Dieser automatische Text beweist ferner, daß Beschreibung auch nicht auf Charme und Humor verzichten braucht. Wer nicht an bestimmten Stellen von Pérets ‚Naturgeschichte‘ in Gelächter ausbricht, darf mit Recht von sich sagen, er sei ein durch und durch ernster Mensch.“

II. Die Luft

Die Luft sondert in ihrem Normalzustand dauernd Pfeffer ab, der die Erde zum Niesen bringt. Auf der Höhe des Erdbodens verdichtet sich der Pfeffer, bis er im Sommer die Bagatelle und im Winter die Zeitung liefert. Es genügt dann, die Letzte ins Freie zu legen, damit sie sich in einen Bahnhof oder je nach Anzahl ihrer Seiten in einen Schwamm verwandelt. In einer Luftschicht von zweitausend Metern verdichtet sich der Pfeffer gleicherweise und fällt so als unmerklicher Staub zur Erde zurück, daß niemand ihn wahrnimmt. Weiter ober ernährt der Pfeffer die Sterne, denen er ihren Glanz verleiht. … In einen Wandschrank eingeschlossen neigt die Luft dazu, aus ihm zu entweichen, um, wenn es ihr gelingt, an der Tür in Gestalt eines solchen Pilzes ihr Leben auszuhauchen, wie er heute allgemein gegen Runzeln gebraucht wird.

Benjamin Péret: Naturgeschichte, zit. nach: Alfred Andersch, Mein Lesebuch, Frankfurt/M. 1979, S. 120 f.

Ein kurzer Lebenslauf von Benjamin Péret klärt darüber auf, dass der Text aus dem Jahr 1958 stammt. Gerne hätte ich ihn ganz und ins Deutsche übertragen in meinem Regal, aber offenbar wird das schwierig. Immerhin weiß auch ich jetzt, dass ich kein durch und durch ernsthafter Mensch bin.

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