Ich gebe zu, ich habe heute nacht gesündigt. Nach Neujahr kam das große Schlagerderby aus den späten 60er und 70er Jahren. Aus den Archiven des Fernsehens, gesendet vom rbb. Selige Zeiten für Autoren (Texter wie Komponisten), alles wirklich gut komponiert, tolle Stimmen bisweilen. Reichtum für die Autoren garantiert.
Und das Publikum: Überaltert. In Anzügen mit Krawatten oder Fliegen, die Damen entweder züchtig oder gewagt – gesungen wurde gerne kurzberockt, langbebeint und wenig hochhackig. Die Frisuren freilich immer. Es war mir eigentlich immer ein Rätsel, warum ich so ungern Anzüge trage und Jackets nur ausnahmsweise: Nach den Bildern, die ich jetzt sehen durfte, war klar. Das da im Publikum waren diejenigen, denen ich in keiner Form nacheifern wollte. Das geradegerückte Gewissen der Jahre zuvor, ein Bollwerk gegen Veränderung.
Und dann die Texte zur Musik. Traumwelten für das fremdgeschaltete Leben. Die Musik häufig eine fatale Mischung aus Jazz und Operette. Der Gipfel der ertragbaren Modernität. Dabei manche so unsinnig geniale Inszenierungsidee wie die Fahrt von Jankowski mitsamt seines durch den Schwarzwald komponierten Klaviers um seinen ungestimmten Chor herum.
Die kurze Verbindung von Jazz und Operette wurde längst im Reeducation-Modus gesellschaftlich akzeptiert. Eigentlich noch fast bis heute gruselt mir vor der Besetzung BigBand. Da ist so viel Trimmdichfit drin, da ist die Werbung drin. Da ist der Sound von Christian Bruhn und Co. drin.
Lehrreich ist so ein Blick zurück dann aber schon doch. Die Geschmackslinien gingen bereits damals durch die Jahrgänge und die Smokings hindurch. Heimatfilmmusik, avantgardistisches Chanson, Fit for music. Der andere unbezwingbare Gipfel beispielsweise die Greatest Hits von Karlheinz Stockhausen (Polydor oder Deutsche Grammophon?).