Bei der Lektüre von Aphorismen von Novalis tauchen einige ganz bezaubernde Gedanken auf. Sie sind für den Bildungsbereich durchaus fruchtbar.
35. Interesse ist Theilnahme an dem Leiden und der Thätigkeit eines Wesens. Mich interessirt etwas, wenn es mich zur Theilnahme zu erregen weiß. Kein Interesse ist interessanter, als was man an sich selbst nimmt; so wie der Grund einer merkwürdigen Freundschaft und Liebe die Theilnahme ist, zu der mich ein Mensch reizt, der mit sich selbst beschäftigt ist, der mich durch seine Mittheilung gleichsam einladet, an seinem Geschäfte Theil zu nehmen.
Nicht nur für den Bildungsbereich, wohl aber für das Verständnis mancher dort hochgehandelter Begriffe. Es ist so wenig verwunderlich, dass man Begriffe wie Vermmittlung und dergleich hier nicht finden wird. Die Dinge sind ja nicht um ihrer Vermittlung Willen geschaffen worden. Sondern als Kommunikationsmedien an sich. Die Mozart-Oper musste nicht vermittelt sein, aber heute muss man ihr das antun. So ist Interesse nicht etwas, was man schaffen muss, sondern was Ergebnis ist durch Teilnahme an Leiden und Tätigkeit. Dinge, die einen nicht zur Theilnahme erregen, schreibt Novalis, interessieren einen nicht. Der Witz ist aber beiderseitig: Um Teilnahme zu entwickeln, bedarf es des ungestörten Sinnes und einer in Schwingung kommenden Membran bei einem selbst.
Zur Teilnahme zwingen tun ein dagegen ja viele Dinge, zum Beispiel von der Werbung bis zur Kulturindustrie. Man kann sich dieser Zwangsteilnahme nur schwer entziehen, sie überredet einen laut plaudernd. Dies hat Novalis nicht im Sinn, der hier dagegen von einer Einladung spricht. Muss man Einladungen aber erklären. Wieso gibt es beispielsweise kein Amt zur Vermittlung von Witzen? Aus gutem Grund.
Man muss dafür Sorge tragen, dass die Kommunikation zwischen Mensch und Kunst nur einigermaßen frei ist von Dogmatismus und von Vorurteilen und schon laden sich Kunst und Mensch gegenseitig ein.