26. Dezember 2024 Alles muss raus!

Nachruf

Tony ScottDer Klarinettist Tony Scott verstarb am 28. März 2007 in Rom. Mir selbst war er bekannt geworden durch sein Engagement bei (für) “Jazz meets the world” – was so um die 70er Jahre herum gewesen sein musste. Dann verschwand er aus meinem Blick. Die generellen Daten führt Wikipedia an oder seiner offiziellen Seite.

»Erst starben meine Freunde, dann starb die Klarinette, danach der Jazz. Ich hasse Beerdigungen, deshalb ging ich.«
[Scott, Tony. DB Sonderband: Jazz-Lexikon, S. 5056 (vgl. JL Bd. 2, S. 1192)]

Es trifft sich jedoch ungeheuer, dass genau jetzt eine CD mit Bonus DVD unter dem Titel “A Jazz Life” bei “Kind Of Blue” (Nummer 10015) erschienen ist. Er sagt in dem Video, welches von kleinen Interviews durchsetzt ist einiges Erstaunliche, man kann es in der Mischung gleich hören.

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Gerade, wenn man sich seine Interpretation von Ellingtons Caravan anhört, wird man diese ganz eigenartige Behandlung der Klarinette heraushören: Dieses teilweise merkwürdige Insichverschleifen. Triller auf einem Ton. Dieses Schwanken zwischen Glissando und Tonattacke – das erinnert irgendwie auch an Klezmer, hat damit aber meines Wissen nichts zu tun. Das letzte Musikbeispiel der beigelegten Klangmischung trägt den wundervollen Titel: “Low, Down, Dirty, Good for Nothing Blues” – ein bisschen wie eine Quintessenz. “Blues is in my bed.”

Cover ScottAuf der CD mit Bonus-DVD sind einige Standards wie Satin Doll, Round Midnight, Night in Tunesia. Begleitet wird Scott von einem Quintett, bestehend aus Shane Endsley (tp), Ben Wendel (ts), Adam Benjamin (p & rhodes), Kaveh Rastegar (b) und Nate Wood (dm). Mir haben die Namen nichts gesagt, tut aber nichts zur Sache, außer meine peinliche Unkenntnis. Das Quintett steht definitiv hinter Scott und zwar im zweifachen Sinn: Scott steht musikalisch im Vordergrund, leitet das Ensemble. Zweitens stellt das Ensemble eine sehr feine, substanzielle Grundlage für Scotts Improvisationen. Es ist keinesfalls beliebig austauschbar. Die durchweg jungen Musiker finden ihren eigenen Ensembleklang. Auch dafür höre man den kurzen Ausschnitt des Anfangs von Caravan.

Mir persönlich geht es schon so, dass sich bei dieser Musik augenblicklich die Ohren in Lauerstellung gehen. Scotts Art des Musizierens wirkt wie eingekocht, selbstverständlich, umstandslos – dabei aber gar nicht mal makellos. Auch der Klang der Aufnahme ist außerordentlich: präzise immer, durchleuchtet auch, aber auch nicht verkühlt, sondern ein wenig staubig, genauer: dreckig. Das passt gut zusammen. Und natürlich ist es Scott, hier im zarten Alter von 85 Jahren.

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