Es sind dies solche Tage, an denen man endgültig feststellt, dass nicht nur die Welt aus den Fugen geraten ist – und zwar ziemlich komplett –, sondern auch die Menschen, die dies bequatschend heilen möchten. Dabei reicht es, vor Ort zu bleiben, statt Weltkonflikte zu lösen, die nicht auf unsere Für- oder Gegensprache warten: Es reicht vollkommen fürs Erste hin, den zunehmenden grassierenden Judenhass in allen Bereichen der Gesellschaft zu unterbinden. Dass aber nicht einmal das hier an Ort und Stelle gelingt, stimmt mich für die Zukunft insgesamt dramatisch pessimistisch. Warum ich das gerade hier und jetzt und heute schreibe? Allein, um es nicht zu beschweigen.
Wenn man eben sieht, wie teilweise in meiner “Musiker:Innen”-Blase stammtischig über die schwierigsten Situationen in der ganzen Welt mit einer dumpfen Rationalität geredet wird – ja, auch das Schreiben in den sozialen Netzwerken ist nicht wirklich schriftlich, sondern nur eine besonders extreme Form von Mündlichkeit – so werde ich Tag um Tag darüber deprimierter, zumal wenn man das Glück und den Genuss einer an sich friedlichen Lebens für sich reklamieren kann. Draußensein, durch die noch gerade genügend reichhaltige Vegetation, jenseits zerklüfteter Sprache und Kunst, zu flanieren und sich am Kommen und Gehen der fernmenschlischen Natur selbstzubespaßen, das ist natürlich ein Luxus. Damit zugleich verdächtig. Und es ist ein Glück auf Zeit – vita brevis.
Der letzte Urlaub von etwa 10 Tagen hat mir das verdeutlicht. Seit ich einigermaßen halbwegs selbständig denken kann, also seit ich zwischen 19 bis 25 Jahren alt wurde, ist mein ganzen Leben durchzogen von der Beobachtung unseres Musiklebens. Von seiner Theorie, seiner Praxis und seiner gesellschaftlichen (sozialen und rechtlichen) Durchdrungenheit. Man kann sich da einfach nicht mehr – auch nur für Tage – aus dem Spiel nehmen. Man ist geradezu gefangen.
Das war über Jahrzehnte eine sehr aufregende und auch engagierte Zeit, die mit Freuden und Tiefschlägen verbunden war. Aber die waren immer zu bändigen. Im Zeitalter globalisierender Effekte geht dies seit ein paar Jahren nicht mehr. Zumal, wenn die Szenen in sich zerreißen. Explodierendes Wachstum von Halbwissen und von volksgerichtshofähnlicher Schnellentscheidungen in aller Breite machen es unmöglich, sich ausgiebig und umfassend zu informieren. Und damit ist man auf die Schnelle immer mehr allein und einsam beim Umkreisen von Erkenntnis und daraus resultierender Praxis.
Ach, ich weiß auch nicht weiter …