… schnelle Antwort? Bei sich wird sie das immer seltener finden. In der Gesellschaft will sie das, so gut es geht, ausmerzen. Und verdeckt das hinter einer aufklärungsuchenden Fragekanonade. Von wem die das wohl gelernt hat? Ihr Vorbild sitzt gleich neben ihr im künftigen Bundestagsparlament.
„Die Frage nach der politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen
sorgt aktuell zunehmend für Debatten.“
Mit diesem Satz beginnt eine sogenannte „Kleine Anfrage“ der CDU/CSU-Fraktion vom 21. Februar 2025. Für Debatten sollte vor allem sorgen, mit welcher Vehemenz die Oppositionspartei des Deutschen Bundestages hier auf gesellschaftlichen Widerstand gegen demokratiefeindliche Bestrebungen in der Politik auftritt. Für die anfragende Partei gehört zur Neutralität gesellschaftlichen Engagements das Stillhalten gegen demokratiefeindliches Verhalten. Fast im gleichen Atemzug fragt der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz, wo den die „CDU-Chef Merz fragte, wo „die Antifa“ gewesen sei, als der CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet wurde. Ja, wo denn nur? Vielleicht dort, wo man sie jetzt wegtreiben will, auf der Straße?
Die Debatte, da haben Merz und Co recht, sollte sich um das Verhalten der anfragenden Parteien und deren Politik- und Gesellschaftsverhältnis drehen. Unabhängig davon, dass die Anfragenden selbstverständlich das Recht haben, solche Anfragen zu stellen. Die Bundesregierung kennt dies als Anfragemüll der AfD seit langer Zeit. Jetzt also die CDU/CSU-Fraktion. Auch hier lernen sie vom Original.
Als zentrale Quelle der Kritik wird in der Anfrage allein auf eine Quelle verwiesen: Ein Bericht in der Axel-Springer-Zeitung „Die WELT“, dessen Vorspann (der Text selbst ist hinter der PayWall) zeigt, dass es sich um einen Meinungsartikel und keine Recherche handelt:
„Die NGOs sind in Deutschland längst ein Staat im Staate – und greifen, von der Bundesregierung mit Steuergeldern finanziert, in die demokratische Willensbildung ein. Wer eine andere Politik in Deutschland will, muss die manipulative Macht dieser verfassungswidrigen Institutionen brechen.“
Wenn man mal hinten anfängt, was wäre eine verfassungswidrige Institution eigentlich? Wer stellt eine Verfassungswidrigkeit dann fest (der WELT-Autor?). Was bedeutet es, wenn eine Bundestagsfraktion sich auf einen Text bezieht, der selbst voller Ressentiments ist und zudem schlicht inhaltlich Unfug? (Und selbst, wovon soll eine Bundesregierung irgend etwas finanzieren, wenn nicht durch Steuergeldern? Etwa aus der Goldreserve, durch Diebstahl? Für die CDU/CSU kein Problem, diesen irren Text als Grundlage für eine Auseinandersetzung zu wählen.)
Ich lasse diesen Unfug trotzdem mal so im Raum stehen. Im Rahmen des Bullshit-Bingos wurden alle möglichen Stereotype bedient. In die Hände dieser Partei wird also die Zukunft unseres Landes gelegt.
Warum ich das erzähle? Von der „Kleinen Anfrage“ ist es kein großer Schritt zur Gesinnungspolitik und zur Gängelung von Kritik und Kunst – mithin zur Einhegung von Kultur nach politischem Gutdünken. Dass dies das Ziel von Parteien wie der AfD ist, wissen wir alle seit deren Gründung. Dass andere politische Parteien dahin tendieren, war bisher immer so eine Art „Unfall“ (siehe hier eine Auseinandersetzung von 2019 – Feine Sahne Fischfilet in Dessau, Freischütz und Hannover), der sich mittlerweile aber zu verstetigen scheint.
Was wird kommen? Ein Rückfall in die Zeit der Gesinnungstests, braucht es wieder ein Amt für Kontrolle, kurz politische Zensur, die Dinge nur dann gestattet bei Institutionen auch im Bereich der Kunst, wenn sie den Neutralitätstest bestehen oder zumindest konform sind mit dem Verhalten einer Partei wie der CDU/CSU? Ist das nicht zugleich die Beerdigung von Kritik insgesamt? Oder wird hier für die nächste Zeit der Werkzeugkoffer zur Gängelung auch ästhetischer und sozialer Initiativen bereitgelegt. Wird am Ende Kritik politischen Handelns unter Strafe gestellt?
Umgekehrt wird ein Schuh daraus, wenn man hört, dass es Politiker gibt, für die gilt: „Die fördern wir nicht, die wählen uns eh nicht.“
„In Deutschland hat der Faschismus gesiegt unter kraß xenophober, kulturfeindlicher, kollektivistischer Ideologie. Jetzt, da er die Erde verwüstet, müssen die Völker gegen ihn kämpfen, es bleibt kein Ausweg“, schrieben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in der Dialektik der Aufklärung um das Jahr 1940 herum. [Band 3: Dialektik der Aufklärung: Lawine. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1502 (vgl. GS 3, S. 250)]
Vielleicht ist es nicht dumm, dieses Mal etwas früher damit zu beginnen und nicht darauf zu warten, bis das Unheil alle Menschen ergriffen hat.
Ein Neutralitätsgebot gegen Unterdrückung, Gewalt und Niedertracht wäre das Ende allen Widerstands gegen Unglücks, auf das wir wohl gerade zutreiben. Und gerade mit dem Argument knapper Kassen, bekommen auch Kulturpolitiker:innen Werkzeuge in die Hand, genehme und ungenehme Kunst zu trennen. Ob das am Ende zur Wirklichkeit wird? Was heißt „wird“? Es ist längst so.
- Heute 1933: Die linken Spinner Bertolt Brecht und Helene Weigel gehen ins Exil nach Prag.
Dieser Text erschien in etwas anderer Form heute auch im Newsletter der nmz, den man hier abonnieren kann.