Warum es häufig besser ist, nicht auf den vorderen Rängen sich platzieren zu wollen. Man muss nicht. Es schadet aber mehr. Ich stelle fest: Dass mein politisches Engagement ein anderes ist als das, welches im Dauergeplapper sich auf den sozialen Sendermasten äußert.
Es ist doch faszinierend, wozu die ganze viele Meinung beiträgt. Man hat sich zu empören, im Chor, schrill und schnell. Diese Pseudoaktivität, denn in der Regel ist es nicht mehr als ein unsportliches Zujubeln oder Diffamieren, hält im Gegenteil den politischen und gesellschaftlichen Fortschritt zum Besseren eher auf, als dass es zur Verbesserung des sozialen Klimas beiträgt. So als ob man auf dem Weg zur Demonstration in jede auf dem Weg liegende Kneipe geht, einen Schnaps trinkt und dazu seine „Meinung“ vorträgt. Besoffen von so viel Aktivität weiß man gar nicht mehr, wofür man sich einsetzen wollte, nur noch, wogegen. Denn dagegen geht immer. „Dagegen“ ist aber nicht gleichzusetzen mit Kritischem Denken. Denn dazu bedarf es im Zweifel nur diverser Vorurteile und Stereotypen.
Das hatte ich vor zwei, drei Tagen so geschrieben schon. Isso.
Vor vier Jahren Öffentlichkeit und Politik
Es ist eben etwas schwer, zugleich gelassen und geduldig zu sein und dabei nicht zu erschlaffen, sondern unter Spannung und im Tempo. Das Leben ist eben etwas anderes als ein sportlicher Wettkampf: Manchmal ist es besser, nicht als Erste durchs Ziel zu gehen. Die meisten, die aufs Tempo drücken sind ja doch die, die auf der Tribüne sitzen und ahnungsbefreit als Erste kommentieren, was sie gestern und morgen schon dementieren werden.
Die Öffentlichkeit muss die Politik kontrollieren, sie muss sich aber auch selbst im Spiegel als politischer Akteur sehen. Manche, scheint mir, plappern deshalb so laut, damit man nicht bemerkt und hört, dass sie zur gleichen Zeit an der Stabilität der diversen Öffentlichkeiten sägen, um sofort deren Instabilitäten zu beklagen.
Vor fünf Jahren Öffentlichkeit und Politik
Als Negt und Kluge über Öffentlichkeiten nachdachten und vor allem Gegenöffentlichkeiten sich wünschten, weil Meinungen in den Händen der Machthabenden lagen und sie diese auf Öffentlichkeiten herunterwerfen konnte, damit sich diese irgendwie mobilisiert fühlte, ahnten sie nicht, das einmal ein Meer von Gegenöffentlichkeiten entstehen würde, das nun sich untereinander und zugleich gegen die organisierten Öffentlichkeiten positionierte.
Heute im Gehege von sozialen Medien als Krümmungsflächen von Aufklärungsgehabe. Die dazu noch zum Verhalten anraten: „Na, wie hältst Du es damit?“ Gehörst Du noch zur richtigen Seite? Also rein empörungstechnisch gesehen.
Adorno nannte das, wenn ich mich nicht irre, Pseudoaktivität. Wo man ja alles richtig macht, wenn man nur mit der richtigen Seite mitgeht.
Aber im Kern erzeugt das alles eine eher sich verstetigende Resonanz in immer intellektuell enger werdenden Kammern.
Der biedere Fernsehhumor von Welke und Pastewka
Es ist mir schon vor einem Jahr aufgefallen, aber dieses Jahr hat es sich bestätigt: Der Humor des im Fernsehen hat ein Problem. Gestern bei einem leichten Applauswind, als man eine Vorentscheidung zum „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ im Hessischen Rundfunk von 1971 vorstellte bei dem in fast allen Beiträgen Katja Ebstein gesungen hat. Der Grund dafür war unter anderem, dass Katja Ebstein als Interpretin im vorhergehenden Jahr einen dritten Platz im europäischen Wettbewerb errungen hatte. Den Erfolg konnte sie sogar wiederholen. Das ist aber der Blick von heute auf den Wettbewerb von damals. Denn im Zentrum war der Wettbewerb als einer zwischen Komponist:innen und Textedicher:innen angelegt. Deshalb standen auf der Tafel auch die Namen der Textautoren und der Komponisten wie Fred Jay, Michael Kunze, Christian Bruhn, Dieter Zimmermann, Horst Jankowski. Die Interpret:innen sind erst im Laufe der Zeit in den Fokus getreten, vielleicht sogar sehr schnell. Gleichwohl gingen die Auszeichnungen an die Textdichter:innen und die Komponist:innen. Das ist aber an sich nicht so sehr amüsant. Der Marcel-Bezençon-Preis trägt dem noch etwas Rechnung.
In der Folge zuvor machten sich Welke und Pastewka über die Dokumentationen mit dem Titel Topographie über Türen, Fenster und Zäune des bayerischen Fernsehens aus den 80er- und 90er-Jahren lustig. Dabei sind es zeitgeschichtliche Paradebeispiele von Architektur- und Lebensweltkritik. Gewiss in der Wortwahl manchmal etwas zu scharf. Aber beim Autoren handelt es sich um jemanden, der genau hinzuschauen versteht und Kunst, Krempel, Kitsch und Industriemüll zu unterscheiden weiß – und zu benennen ebenso. Dieter Wielands Filme kann man immer wieder auf ARD-alpha anschauen. Hier beißende Kritik am falschen Grün.
Biederer Populismus ist es, den Welke und Pastewka einem da vorlegen. Auch das scheint mir eben ein Zeichen der gegenwärtigen Humorkultur zu sein. Gestern konnte da der Gast etwas entgegensetzen, in dem Klaas die beiden selbst in ihren teilweise billigen Anspielungen vorführte. Immerhin hat mich der Beitrag dazu gebracht, wieder die alten Folgen anzusehen. Mit Tränen, nicht zu wenig, wegen der Klarsicht, die bereits damals präsent gewesen ist.
Man kann aber durchaus bedauern, dass all das im humoristischen Lärm untergeht, ebenso wie der Contest-Beitrag, von dem die Wikipedia zu wissen meint, es sei der erste gewesen, der sich mit Umweltschutz beschäftigt habe.