Einige Monate lang hielt uns der Kampf zahlreicher Menschen durch Petitionen und persönliches Engagement in Atem. Es ging um Veränderungen im Jahressteuergesetz 2024, die speziell Bildungsleistungen und deren Umsatzsteuerpflicht bzw. -befreiung zum Gegenstand hatte. Den ganzen Vorgang kann man hier nachlesen bei Matthias Mainz aufdröselndem Report in der Oktober-Ausgabe der nmz.
Nun ist die Angelegenheit schon fast in trockenen Tüchern. Dank der Petition und des Einsatzes von mit den im Bundestag vertretenen Personen in Verbänden hat sich der Entwurfstext gedreht. Die dort vorgesehene Bescheinigungsregelung durch Landesbehörden sollte ursprünglich wegfallen. Jetzt ist sie wieder Bestandteil des Gesetzes. Bisher war die Regelung zur Umsatzsteuerbefreiung so: Man legte einer Landesbehörde diverse Dokumente vor, damit diese eine Bescheinigung ausstellt, die nahelegt, das die Antragstellerin eine Bildungsleistung erbringt, die nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Denn, so will es das Gesetz, Bildungsleistungen sind umsatzsteuerbefreit. Bislang war es aber auch immer so, dass die Finanzbehörden der Länder (also die Finanzämter konkret) das zur Kenntnis nehmen durften, aber nicht an die Entscheidung der Landesbehörden gebunden waren. Mit dem Entwurf des Finanzministerium wollte man eigentlich den Zustand dieses doppelten Verwaltungswegs mit seinen unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten beenden.
Aus dem Ministerium hieß es:
Des Weiteren sieht, wie von Ihnen angesprochen, die Neuregelung des § 4 Nr. 21 UStG-E den Verzicht auf das derzeit papierbasierte Bescheinigungsverfahren vor. Dies führt zu Bürokratieabbau, zur Kostensenkung bei Einrichtungen, Behörden und Gerichten sowie zu mehr Rechtssicherheit, weil der „geteilte“ Rechtsweg aus Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit entfällt. Insbesondere die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen Anerkennungsvoraussetzungen für Unterrichtsleistungen i. S. d. § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG aufgrund der föderalen Strukturen im Bereich Kunst und Kultur, entfallen durch die Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens. Damit wird sichergestellt, dass vergleichbare Leistungen umsatzsteuerrechtlich bundesweit vergleichbar behandelt werden. (Siehe hier)
Hauptziel der Petition war es, diesen alten Zustand wieder herzustellen. Das heißt, die Rechtsunsicherheit nicht nur wiederherzustellen, sondern auch den bürokratischen Akt ebenso. Damit sich die verschiedenen Landesbehörden also wieder im Boot, die das bundesweit eben uneinheitlich regeln. In Niedersachsen sieht das beispielsweise so aus.
Nach Erteilen der Bescheinigung entscheiden die Finanzbehörden, ob die Voraussetzungen der Steuerbefreiung im Übrigen vorliegen. Zur Prüfung der Finanzämter gehört, ob eine allgemein bildende oder berufsbildende Einrichtung vorliegt und ob unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen vorliegen. Insbesondere wird geprüft, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht werden (Schul- und Hochschulunterricht) oder ob die Leistungen der bloßen Freizeitgestaltung dienen.
In Berlin sieht das Verfahren ganz ähnlich aus. Dort findet sich auch eine Auflistung der Gebühren für die Antragsteller:innen. Auch hier wird klargestellt. Die Bescheinigung ist das eine, sie stellt aber nicht die steuerliche Bewertung der Finanzbehörde dar.
Unter bestimmten Voraussetzungen können für berufliche Bildungsmaßnahmen Bescheinigungen zur Befreiung von der Umsatzsteuer bei der jeweils zuständigen Landesbehörde (siehe unter „Zuständigkeiten“) beantragt werden. Diese Bescheinigungen sind in der Regel gebührenpflichtig. Sie sind dem zuständigen Finanzamt vorzulegen, das dann über die tatsächliche Befreiung entscheidet. Einzelheiten regelt das Umsatzsteuergesetz (UStG) in § 4 Nr. 21a, Doppelbuchstabe bb in Verbindung mit dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE).
In der Anhörung zum Gesetzesentwurf und seinen Änderungen ist besonders die Stellungnahme von Prof. Dr. Roland Ismer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg von Interesse, weil er die Bruchlinien in der neuen Fassung des Gesetzes ziemlich ausführlich benennt. Siehe da vor allem die Seiten 11 bis 22.
Der Deutsche Musikrat hat sich für die Beibehaltung des Bescheinigungsverfahrens eingesetzt, weil fürchtete, dass die Neuregelung zu Rechtsunsicherheiten geführt hätte. Das Ergebnis ist: Man hat die Rechtsunsicherheit des Bescheinigungsverfahrens alter Art zurückbekommen. Und ist daher dann doch auch wieder nicht froh.
Wir begrüßen es zwar durchaus, dass laut § 4 Nummer 21 das Bescheinigungsverfahren für private Musiklehrende nun doch bestehen bleibt. In diesem Zusammenhang fordern wir Bestandsschutz für die bereits ausgestellten Bescheinigungen. Dennoch ist die Umsatzsteuerbefreiung für viele Musiklehrende weiterhin nicht sichergestellt, da es bisher den Finanzämtern überlassen war, die Bescheinigungen anzuerkennen. Zahlreiche Berichte von privaten Musiklehrenden, die trotz Bescheinigung aufgefordert wurden, Umsatzsteuernachzahlungen zu tätigen, belegen diese Befürchtung. Die großen Rechtsunsicherheiten für soloselbständige Musiklehrende bleiben somit bestehen. Dies kann und darf nicht das Ziel von Gesetzgebungsvorhaben sein und würde zu gravierenden Konsequenzen für die musikalische Bildungslandschaft in Deutschland führen. Hier besteht nach wie vor großer Nachbesserungsbedarf.
Kurzum: Man hat insgesamt verpasst, die Regelungen rechtssicher anzupassen. Dazu waren weder das Finanzministerium noch die Lobbyisten der Musik in der Lage. Gewonnen wurde daher gar nichts. Der Flickenteppich der Landesbehördenregelungen bleibt bestehen, die aber eben keine Rechtsbindungen für die Finanzbehörden beinhalten. Tja.
Wenn man sich die Geschichte um die Regelungen dieser Umsatzsteuerbefreiungsfragen anschaut, die seit Jahrzehnten nicht wirklich voran kommen, dürfte die Hoffnung auf eine bessere Regelung in der Zukunft eher gering sein. Ein großer Wurf wurde somit verpasst. Die Reform des gesamten Prozesses ist gescheitert.
Der Deutsche Musikrat fordert nun „den Bundesrat auf, die bestehenden Rechtsunsicherheiten im Entwurf für das Jahressteuergesetz zu eliminieren.“ Eine Stellungnahme des Bundesrates vom 27.9.24 inklusive der Reaktionen der Bundesregierung vom 2.10.24 sind allerdings längst schon durchgekaut und Teil des Gesetzgebungsverfahrens gewesen.
PS: Ein Ergebnis freilich ist beeindruckend. Wenn man sich genug formiert und Öffentlichkeit und Politik unter Druck setzt, kann man tatsächlich auf das Gesetzgebungsergebnis Einfluss nehmen. Leider gilt das auch für Anstöße, die in der Sache weniger hilfreich sind, sondern vor allem populistischen Bedürfnissen Rechnung tragen. Die alte Grundbehauptung der Petition zum Musikunterricht stand ja nie auf der Tagesordnung. Sowohl europäisches wie deutsches Recht, das daran gebunden ist, stellten klar:
Eine Einschränkung der Steuerbefreiung konkret von Musikschulen und Musiklehrern sieht die Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG-E nicht vor. Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt, dass auch Leistungen, die auf die Aufnahmeprüfung an einer Hochschule oder Fachhochschule vorbereiten, z. B. Musikunterricht (Instrumental- und Vokalunterricht), Unterricht im klassischen Tanz und Ballett oder Unterricht in darstellender und bildender Kunst als Ausbildungsleistungen anzusehen sind. Darunter fällt sowohl der Musikunterricht für Kinder als auch der Musikunterricht für Erwachsene. Maßgeblich für die Einordnung eines Musikunterrichts als Ausbildungsleistung ist allein die Ausgestaltung des angebotenen Musikunterrichts. Ist dieser grundsätzlich geeignet, auf eine Aufnahmeprüfung an einer (Fach-)Hochschule vorzubereiten, wozu auch das Erlernen eines Instruments gehört, dann ist der Unterricht als Ausbildungsleistung umsatzsteuerfrei. Das gilt wie bisher unabhängig von den persönlichen Voraussetzungen des Lernenden (z. B. Alter, Kenntnisstand) bzw. dessen Intention zur Inanspruchnahme der Unterrichtsleistung. (Quelle)