25. Dezember 2024 Alles muss raus!

Vergangenheit nicht radieren / Evidenzästhetische Urteilsbildung / Innere Unsicherheit

Ich stimme ziemlich vollkommen zu, was Moritz Eggert da im Bad Blog Of Musick sagt:

„Wer die Vergangenheit verstehen will, muss deren Fehler bewahren, denn nur dann können wir von diesen Fehlern lernen. Wir dürfen diese Fehler nicht ausradieren und so tun, als seien sie schon in der Vergangenheit korrigiert worden.“ (Bad Blog Of Musick)

Es ist zumal eine erheblich Vergeudung von Zeit und Energie, die man braucht, um die Probleme der Gegenwart zu bewältigen. Im Verfälschen des Vergangenen sind eigentlich autoritäre Systeme immer sehr akkurat gewesen und sie sind es aktuell nicht weniger. Und das andere Problem: Man bekommt zwei Vergangenheiten, die nebeneinander herlaufen, wenn man sie verändert. Vielleicht bekommt man in Zukunft weitere Versionen verschiedener Vergangenheiten, weil sie jeweils für die gegenwärtige Gegenwart angepasst werden.

Wenn man das erste Mal in der Vergangenheit herumschneidet, schneidet man auch zukünftig in ihr herum.

Mai Think X und Kulturkritik

Moritz Eggert betreibt im Bad Blog immer wieder eine Diskussionsform, die ich hochachte. Es wird relativ ruhig ein Thema behandelt, wie hier der Umgang mit der Vergangenheit, die nicht immer so gewesen ist, wie sie wäre, wenn sie heute geschähe. Aber auch das heute, ist, wer weiß, morgen schon der nächste heiße Dreck.

Mir schwebt für den Musikbereich etwas vor, was Mai Thi in Mai Thin X betreibt oder was in anderer Form Harald Lesch auch tut, letzterer immer aber auch mit diesem Klang nach Bildungsbürgertum der guten alten Stube. Also nicht Lärm machen, sondern in Ruhe die Fragen abarbeiten und betrachten. Mit Mitteln der allgemeinen Forschungsgrundlagen, also nicht gesponnenes. Ich nenne das mal für den musikalischen Bereich: Evidenzästhetische Urteilsbildung.

So ganz klar ist mir das noch nicht, gerade in Zeiten wo alles in den Lärm um Aufmerksamkeit drängt und die Welt insgesamt immer heiserer wird.

Stübgen auf Jagd

Nehmen wir dazu die subkutane Art, wie Nachrichten gebündelt werden, im Fall der RAF-Terroristin Danilela Klette. Wie schamlos subtil ordnete da jemand im rbb-Fernsehen Daniela Klette nicht der dritten Generation der RAF zu, sondern der „letzten Generation“. Was man damit zum Ausdruck bringen möchte, liegt auf der Hand. Es ist kein Zufall. Die Berichterstattung im rbb-Fernsehen ist immens zum Thema. Man wird finden, dass sie Weihnachts-Klopapier von Aldi auf der Toilette benutzt hat. Man wird jeden Stein in ihrer Butze umdrehen, weil man es kann! Um damit abzulenken davon, was die Polizei in diesem Land eben nicht kann: Die Demokratie schützen vor ihrer noch nur zähflüssigen Zersetzung durch rechtsextreme und mistgabelschwingende und güllespritzende Radikale auf großen Reifen. Ich bin mal gespannt, welche Punkt am Ende Daniela Klette vorgeworfen und nachgewiesen werden können.

Aber Gesichtserkennung ist jetzt der neue heiße Scheiß, den offenbar AfD und CDU/CSU gemeinsam wünschen. Immer und überall. Das perfekte Instrument, das im Falle des Falles die rechtsextremistischen Parteien, einmal am Machtruder, bestens für ihre Zwecke nutzen können. Russland, China und Iran machen es bereits vor. Das ist der Moment, wo die angebliche innere Sicherheit, die faktische innere Sicherheit aushebelt. Gute Nacht.

Oder gerade eben der Innenminister von Brandenburg, Michael Stübgen, sagte ganz im Gauland-Stil jetzt in Sachen Tesla-Sabotage: „Wir werden sie jagen.“ Ganz ohne Scheiß! Das ist heute schon gemeinsamer Stil zwischen CDU und AfD. Da rollt ein Stück Geschichte rückwärts in die dunkelsten Ecken unserer deutschen Geschichte.

Nachhörtipp – Kinderlieder heute

Musikszene: Kinderlieder heute – Viraler Mainstream hier, politischer Protestsong dort
Von Matthias Nöther. Für viele Menschen sind sie der erste Kontakt mit Musik: Kinderlieder. Deshalb haben diejenigen, die Kinderlieder schreiben, für eine Gesellschaft ganz besondere Verantwortung. Wie steht es um das deutsche Kinderlied? Wie hat es sich angesichts des rapiden gesellschaftlichen Wandels der letzten Jahre und Jahrzehnte verändert? Welche Themen sind den Autorinnen und Autoren mittlerweile besonders wichtig – und welche vielleicht weniger? Und haben sich vielleicht auch die Erwartungen der Kinder und Eltern an dieses Genre gewandelt? Wie wird man als Kinderlieder-Autorin, als Musiker oder Sänger heute kreativ? Eine Befragung aktiver Kinderliedmacher zum Stand einer immer aktuellen Kunstform.

Nachhören: Kinderlieder heute. Viraler Mainstream hier, politischer Protestsong dort

Das konkrete Thema ist schon interessant. Wie steht es damit, dass, wie mir scheint, fast alles mutiert unter der Lupe des Politisierten, des zu Politisierenden. Mal auf die Formel gebracht: Heute in unserer Kultur schließt alles, was gesagt wird auch mit ein noch viel mehr, was nicht gesagt wird. Das heißt, es ist mittlerweile grundsätzlich alles zugleich nolens volens verdächtig und anrüchig. Kann das “gesund” sein für Kunst und Spiel und Kultur?

Kant & Co

“Alles hat entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“ Immanuel Kant – wohl.

Honorare für Chorleiter:innen

Wie viel verdient man als Chorleiter:in in Deutschland? Oder… wie viel ist angemessen? Wie viel darf ich als Ensembleleitung verlangen? Der neue Leitfaden zur Umfrage ist da (pdf). Ist schon harter Stoff in der Analyse. Beispiel:

Insgesamt kann festgestellt werden, dass Chorleitende eher zufrieden oder zufrieden mit ihrer Arbeitssituation sind (58,9%). Allerdings werden zufriedene Chorleitende eher überdurchschnittlich honoriert. Im Umkehrschluss werden unzufriedene Chorleitende unterdurchschnittlich honoriert. (Seite 41)


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