12. Dezember 2024 Alles muss raus!

Tempolimit für die Geschichte

Bevor die Vergangenheit uns einholt …

… müssen wir mehr noch befürchten, dass sie uns überholt hat. Es gibt kein Tempolimit für die Geschichte. Und sie rast von Geistern gelenkt, die wir selbst erzeugt haben, frontal aus der Zukunft auf uns zu. Zum Ausweichen sind unsere Reaktionen vielleicht schon zu träge.

Corona vor vier Jahren

Vor vier Jahren wurde es sehr still, die Reißleine wurde gezogen; Pandemie hält die Welt in Atem. Als Journalist hatte man plötzlich zugleich viel zu tun und wenig. Im Ergebnis: Ein paar Menschen auf immer an die Wissenschafts- und Politik-Clowns verloren.

Die Autobahn ist leer. Corona vor vier Jahren. Foto: Hufner
Die Autobahn ist leer. Corona vor vier Jahren. Foto: Hufner

„Heute hinauszuschreien, dass die Utopie gescheitert ist, ist etwa so klug, wie im Spätherbst, wenn die Blätter fallen, zu dem Schluss zu kommen, dass die Idee des Frühlings gescheitert ist. Nieder mit dem Frühling!“ (Lothar Baier 1993)

Paywall 1917

Freiexemplare mit Gefängnis bedroht.
Lieferung von Freiexemplare mit Gefängnis bedroht.

Man stelle sich das vor, so würde es auch im Internet gehandhabt werden. Brauchen wir ein Paywall-Zwangsgesetz?

Vor acht Jahren bereits – AfD-Analyse

Das Problem ist ein wenig ja auch, dass man mit der AfD nicht koalieren kann, weil es die AfD nicht als politische Entität gibt. Mit welcher AfD wollte man denn da koalieren? Dazu müsste diese Partei ja erst einmal mehr als Schlagworte aufbieten. „Wir sind offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben.“

Oder kauderwelsch wie:

“Die Digitalisierung der Deutschen Literatur ist eine von Deutschland zu leistende Aufgabe. Nur die eigene Bevölkerung und deutsche Literaturfachleute können deutsche Literaturwerke gewichten. Möglichen Lizenzzahlungen an ausländische Unternehmen zum Lesen digitaler deutscher Literatur ist durch Gesetzgebung vorzubeugen.”

Liest man dagegen die Texte des alten Programms, sieht man leider doch recht deutlich, dass es sich aktuell um ein Rechtsabgleiten der Partei handelt. Früher stand da wirklich zu lesen:

„Politisch Verfolgten im Sinne des Grundgesetzes ist Asyl zu gewähren. Als Gäste des Landes sollen Asylanten würdig behandelt und als Mitmenschen akzeptiert werden, wozu auch das Recht gehört, ihr Auskommen selbst erarbeiten zu dürfen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Aus Gründen der Humanität ist es eine Pflicht, Kriegsflüchtlingen bei uns oder an anderen sicheren Aufenthaltsorten mit Unterkünften und dem notwendigen Lebensunterhalt beizustehen.“

Dass diese Partei jetzt bis zu bald 30% der Wählerinnen erreicht in den Bundesländern, sollte nicht verwundern. Das ist bedauerlicherweise die Mindestzahl derjenigen, die genau diese Partei wählen, weil sie so ist, wie sie ist. Nur trauen sie sich jetzt. Deutschland ist ein Land voller Ressentiments, kein durch und durch Aufgeklärtes. Eher ein herzloses Land, ein Kaltland wie ich neulich las.

Das hat weniger mit 33 zu tun, eher überhaupt nicht, sondern mit 92/93, als – man kann es in den entsprechenden Texten nachlesen von Dubiel wie „Ungewissheit und Politik“ oder Lothar Baier „Die verleugnete Utopie“ oder noch etwas früher „Volk ohne Zeit“ – Populismus lässt sich wieder gut bedienen.

Hier zum Beispiel und man muss da auch differenzieren:

„In politischen Zusammenhängen“, sagt er im Aufsatz „Das Gespenst des Populismus“, „werden Bewegungen populistisch genannt, die – sei es in radikaldemokratischer Absicht, sei es in antidemokratisch-plebiszitärer Absicht – jenen Verlust an Volkssouveränität einklagen, der in den komplexen repräsentativen Mechanismen moderner Massendemokratien zwangsläufig entsteht. In diesem Sinne populistisch sind die oft auch als »basisdemokratisch« bezeichneten Organisationsformen von lokal Betroffenen, die sich in Reaktion auf Infrastrukturplanungen (Flughäfen, Rhein-Main-Donau-Kanal, Autobahntrassen) gebildet haben und ihre unmittelbare Betroffenheit zum Angelpunkt ihrer politischen Organisation machen.“ [Dubiel, Helmut: Ungewißheit und Politik, Frankfurt/Main 1994, S. 190.]

Die AfD ist nicht das Problem. Die ist politisch ohne allen Sinn. Dass aber eine Partei ohne Sinn und intern so querulant sortiert sich aufstellt und dann auch noch gewählt wird, das ist bedrückend. Leider ist es aber eine Realität, die es schon seit 70 Jahren gibt, nur dass sie eben nicht in einem Sammelbecken sich finden konnte. Die CSU hat nicht zuletzt auch deshalb immer so hohe Wahlergebnisse gehabt, weil sie genau diesen Charakter der Wählerin bedient hat. Sie ist doch nicht viel anderes als CDU und AfD (früher NPD etc.) in eins. Sie ist eine Koalitionspartei schon immer intern gewesen.

Spielt jetzt auch keine Rolle. Da lässt sich kurzfristig nichts ändern. Außer dass diese Wählerinnen diese Parteien irgendwann auch ermüdend finden.

 

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