Andersch. Fast alles, was ich weiß, weiß ich von anderen. Manches, eher weniges nur von mir. Das meine ich nicht kokett. Es ist einfach so. Und es ist zugleich ja nicht einfach, so. Warum muss ich mir auch selbst einen Kopf machen, wenn ein Problem schon vor Jahrzehnten erkannt und beschrieben worden ist – vielleicht sogar, da braucht man dann schon seinen Kopf, indem man daraus Handlungsformen entwickelt, wie man etwas stärken, verändern oder verhindern kann. Hier zum Beispiel:
Herr Buddenbohm hat einen seiner letzten Beiträge mit einem Zitat aus “Die Kirschen der Freiheit” von Alfred Andersch eingeleitet. Das Buch stammt wohl aus dem Jahr 1952 und thematisiert an dieser Stelle das Jahr 1933.
„Die Republik, die schon lange im Sterben gelegen hatte, war endlich tot. Sie war daran gestorben, dass die bürgerliche Mitte sich den Gesprächsstoff vom Feinde hatte diktieren lassen und die Sozialdemokratie mit der bürgerlichen Mitte über die Argumente des Feindes debattierte.“
Das sitzt und sollte uns nicht nur zu denken geben. Sondern das darf oder muss als Aufforderung an die politischen Institutionen verstanden werden. Verdammt, sage ich mir, es ist alles schon beschrieben, es ist alles schon bekannt. Warum muss man immer wieder neu diskutieren, was man längst weiß. Wenn es Andersch weiß, dann sollte es jeder wissen können.
Bluesky. Es wird berichtet, dass Bluesky in dieser Woche noch seine Pforten für alle Nutzenwollenden öffnen wird. Dieser Schritt kommt sicher nicht zu früh. In der letzten Zeit bekam man kaum noch seine Invite-Codes los. Mit seiner Abschottung bisher war es auch etwas schwierig, Dinge aus dem gewöhnlichen Netz dorthin zu kippen. Dieser ganz API-Kram funktioniert so wohl nicht. Moment: Wann genau soll das sein? Ähh, nach meiner Kenntnis gilt das ab jetzt!
Es kippt damit aber vermutlich auch die ganze Hasstext- und Müllinfo-Chose ab sofort mit rein. Ich bin übrigens hier zu finden.
Heute für die HörBar der nmz:
Frederik Köster / Die Verwandlung: Stufen [2023] … Wie macht der, wie machen die das? Dass, obwohl die Sachen so ausgefeilt und differenziert musiziert, alles extrem geradeaus und simpel klingt? Ich würde denken, dass dies der große Kniff ist: Wenn die Grundgedanken präzise ohne allen Schnickschnack komponiert werden, kann man umso freier (nicht unbedingt wilder, aber das auch schon mal) darüber seine Runden drehen. …
Und sonst so:
- Johannes Kreidler in seinem Blog “Kulturtechno” hat ein Tutorial zur Video-Technik der Motion-Extraction gefunden. Fasznierend. Und bringt mich dazu, kottke.org in meinem Feedreader zu listen, über den Kreidler das gefunden hat.
- Im Van-Magazin ist Albrecht Selge einer Theater-Sache auf der Spur als Trend in der Musiktheater-Regie: Überschreibungen. Seine lesenswerte Analyse dazu (ggf. €).
- Anderer Trend: Szenebeherrschende Sängerinnen-Schauspielerinnen.
- Trine Møller ist „Elektra“ in Brigitte Fassbaenders Inszenierung der Strauss-Oper am Theater Lübeck
- Die auf Madagaskar geborene kanadische Sopranistin Yannick-Muriel Noah als Gast der Oper Bonn bezieht uns als Salome von Anfang an ein als das Umfeld ihrer Einsamkeit und Verzweiflung. Geradezu sensationell ihre Stimmnuancen zwischen krassem Zorn und unfassbarer Liebe. Sekundenschnell kann sie ihren Ausdrucksumfang wechseln, wenn sie „Liebe“ singt … – Zurzeit in Bremen als Salome.