Nach Schätzungen aus dem Jahr 2001 werden jährlich etwa 16 Millionen Bücher makuliert. Jetzt gehört meine Dissertation auch dazu – ca. 250 Exemplare, eher noch mehr. ich habe mir noch fünf Exemplare sichern dürfen. So kanns gehen. Adieu. Bewerben muss ich mich damit nicht mehr. Der Inhalt ist an sich nur gealtert, aber nicht veraltet. Man würde noch ein paar weitere Werke ins Visier nehmen. Wahrscheinlich. Eine kleine Träne ist schon dabei.
Bei einem werde ich schauen, den Buchrücken abzuschneiden, um es einzuscannen. Es gab es mal digital. Geschrieben auf WordPerfect für Amiga 1000. Dann mühsam konvertiert über Disketten auf Word 6.0 mit Noten aus ??? gesetzt. Gesichert auf eine Bandlaufwerk, das dann seinen Geist aufgegeben hat. Und im Verlag gesichert auf einem Bandlaufwerk mit einer Software, die es beide nicht mehr gibt. Also futsch. Gedruckt mit einer Technik, die ich extra erfunden habe aus Kostengründen. Statt über einen Belichter auf transparenter Folie im Laserdrucker. Von da in den Offsetdruck.
Persönliche anerkennende Worte von Albrecht Dümling, irgendwo zwischen den Zeilen von Claus-Steffen Mahnkopf und von Martin Thrun.
Eine Dissertation, bei der ich supermodernstolz darauf gewesen bin, kein einziges mal das Wort und den Begriff “Dialektik” verwendet zu haben. Viel gelernt damals von Anke Thyen, Martin Seel, Josef Früchtl und Hauke Brunkhorst. Viele Druckfehler in den Notenausgaben gefunden. Stunden in Frankfurt im Adorno-Archiv verbracht. Ein paar Skzizzen zuordnen können. War eine gute Zeit. Mein Betreuer Erich Reimer, ganz wunderbar – sagte immer: Konzentrieren Sie sich auf das Thema – statt 500 Seiten, 208 (planmäßig, mehr hieß es, würde man bei Druckförderung nicht bezahlt bekommen). Über alles andere können Sie noch Aufsätze schreiben.
Gefördert durch ein Stipendium des Landes Hessen. Und danach durch meine Eltern, die Geschwister Barbara und Andreas und die Tante Ursel. Schlusskorrigiert davor von Christoph Becher und Stefan Raulf. Gedruckt auf einem NEC P6 – Nadeldrucker in einer Butze lenbend mit Ofenheizung, ohne Bad aber mit Klo. Hinterhof, Norden, Erdgeschoss. Nadeldruckzeiten genutzt für ausführliche Spaziergänge im Schlosspark Charlottenburg.
Verlagssuche außerhalb des Verlages, bei dem ich dann arbeitete, scheitert: Suhrkamp, Fischer, Piper sagen ab; nur Könighausen & Neumann gegen Kohle. Gedruckt schließlich bei ConBrio – abenteuerlich, siehe oben. Aber dankbar dafür.
Jetzt halt Makulatur. Pustekuchen. Rente in Sichtweite. Hochschullaufbahn wurde nix. Stattdessen Verlag und Internet. Arm an Lohn und Brot, reich an Erfahrungen. Demenz kommt.
Also kann ich jetzt Ministerpräsidentin werden. Keine Angst vor Vroni-Plag. (Mal ehrlich, es macht doch einfach auch mehr Spaß, wissenschaftlich zu arbeiten und was zu lernen, statt Sachen zusammenzukopieren.) Dafür, dass das Thema damals neu war, wo hätte man sich was herklauen sollen. Im Gegenteil: die Auseinandersetzung mit dem Thema war davor ja grottig, egal ob bei Dieter Schnebel, Mathias Spahlinger und Heinz-Klaus Metzger sowieso – und selbst bei anderen, deren Namen ich gar nicht mehr weiß (G. Schubert oder Albrecht Riethmüller). Das Adorno-Konzert 1989 in Frankfurt am Main mit Mauser am Klavier war eine Liedertötung und Katastrophe.