23. November 2024 Alles muss raus!

Der Radio gibt sich auf

Während man sich angeblich diskussionsbereit zeigt wenn es um die Zukunft des Radios geht – so sucht ARD-Vorsitzender Kai Gniffke aktuell auch das Gespräch mit Teilen der Jazzszene – werden  längst schon die Fakten geschaffen mit denen man als ARD in die Radio-Zukunft gehen möchte. Da wird der Hinweis des SWR-Intendanten, er suche ein Informationsgespräch mit der Jazzszene plötzlich voller Sinn. Man wird wohl schlicht und einfach „etwas“ mitteilen was beschlossene Sache ist. So wie eine Rückruf bei einem Schadensfall in Sachen verdorbene Mandeln eines Warendiscounters mit Esswaren.

In einer Pressemitteilung der Intendanten zur ARD-Reform heißt es jetzt lapidar:

„Ziel der ARD-Reform ist mehr Wirtschaftlichkeit durch noch mehr Kooperation und Arbeitsteilung. In den Hörfunkwellen, die vor allem klassische Musik senden, geschieht das ebenfalls in den Abendsendungen zwischen 20 und 24 Uhr. Ab dem zweiten Quartal 2024 wird es einen wöchentlichen gemeinsamen Opernabend geben, drei Monate später zusätzlich zwei gemeinsame Konzertabende. Daneben wird es enge Kooperationen zwischen den Kulturwellen an zwei weiteren Abenden geben.“

Also ab dem dritten Quartal sind fünf von sieben Abenden in gleicher Sendungsgestaltung oder enger Kooperation. Zwei bleiben für regional eigene Gestaltung. Das Datum ist gut gewählt und kein Zufall, denn das dritte Quartal war schon in den letzten Jahren immer durch das sogenannte ARD-Festspielprogramm für alle Sender ein- bzw. ausgedünnt. Im Jazz hatte das den Vorteil, dass Sender, die in dieser Hinsicht eher schwach aufgestellt waren, wenigstens etwas Substanz geboten bekamen (MDR, Radio Bremen, rbb und Saarländischer Rundfunk). Für die restlichen, teilweise hochaktiven Redaktionen dürfte es nun eng werden. Als Fehler könnte sich insbesondere erweisen, dass der Jazz im NDR, der von NDR-Info zu NDR-Kultur wechselte, besser auf NDR-blue geschubst worden wäre. Wobei: Die Info-Wellen sollen ja zuvörderst in den Gleichklang gebracht werden.

Im Pop-Bereich ein ähnliches Bild:

„Mehr Zusammenarbeit soll es auch bei den Pop-Wellen geben. Die Intendantinnen und Intendanten haben vereinbart, dass SWR3 in Baden-Baden von Montag bis Freitag eine gemeinsame Abendstrecke von 21 bis 24 Uhr produziert. Sechs Pop-Wellen der ARD haben bereits angekündigt, dieses Abendprogramm zu übernehmen.“

Erschreckend, dass gleich sechs Popwellen ihr Ableben angekündigt haben, auch wenn nur zwischen 21 und 24 Uhr. Pop ist offenbar ohnehin so konform. Am meisten ließe sich sparen, wenn man einfach vermelden würde, wo man sonst im privaten Senderbereich oder bei autonomen freien lokalen Sendern gute Musik präsentiert bekommt.

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Ein Kommentar

  1. Zitat aus
    https://www.dimbb.de/zitiert-was-die-ard-durch-die-hoerfunkreform-gewinnt-und-riskiert/

    “„Wie hoch die Einsparungen durch diese Gemeinschaftsangebote in den Info- und den Kulturwellen sein werden, wissen wir noch nicht genau“, sagt Anke Mai, Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate beim SWR, der derzeit den ARD-Vorsitz führt: „Grob geschätzt wird es wohl eine mittlere einstellige Millionensumme sein.“ Mit anderen Worten: etwa ein Tausendstel des gesamten jährlichen Gebührenaufkommens, das der ARD zukommt. […]”

    Eine “mittlere einstellige Millionensumme” kann man auch umrechnen: die Vernichtung voraussichtlich vieler der heute noch auf den eigenständigen Kulturwellen gesendeten Inhalte kostet umgerechnet ca. 3 “Tatorte” pro Jahr, bei ca. 30-35 neu produzierten “Tatorten” pro Jahr. Siehe https://www.zaster-magazin.de/was-kostet-tatort-folge/ und https://de.wikipedia.org/wiki/Tatort_(Fernsehreihe)#/media/Datei:Tatortfolgen_pro_Jahr_bis_2022.png

    Gleichschaltung, Beseitigung von Vielfalt und Abschiebung von Inhalten aus den immer noch aufgrund ihrer Hauptverbreitungswege bedeutsamen linearen Programmen in die Bedeutungslosigkeit des Internets, wo sie angesichts von Milliarden an Inhalten untergehen und wo vor allem ältere Interessierte teils keinen Zugriff haben und sich Zeit ihres Lebens auch keinen Zugriff mehr verschaffen können, spielt nur den Feinden einer sozialethisch anständigen Gesellschaft in die Hände. Hier wird mit gesamtgesellschaftlich entrichteten Beiträgen Kultur- und somit Wertevernichtung betrieben. Kann denn wirklich niemand mehr diesen Wahnsinn verhindern?

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