Ja, wie denn. Ja, was denn. Das liest man in der Süddeutschen Zeitung, wenn man mal genau hinschaut. Denn in einer Stellungnahme, die zumindest der SZ vorliegt, die aber nicht einmal auf den Seiten des SWR zu finden ist, steht, dass man auf Seiten des SWR nicht mal ansatzweise den Verdacht hege, Teodor Currentzis sei ein Unterstützer des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
“Bestünde auch nur ansatzweise der Verdacht, dass er diesen unterstütze, wäre er nicht mehr Chefdirigent des SWR Symphonieorchesters.”
So wird Matthias Claudi, Leiter Kommunikation SWR Classic, zitiert. Er ist also kein Unterstützer des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, nur darf er das nicht laut sagen, sondern nur unter der Hand. Also ist es offiziell, dass es inoffiziell ist – genau genommen aber nicht einmal dies, denn offenbar gibt es nicht mal dazu Erklärungen, sondern nur den „Verdacht, dass …“.
Was soll man in Russland wohl davon halten. Was soll TC davon halten, dass er nicht selbst sagen kann, was er sagen würde, wenn er könnte.
So kann man dem Hahn auch die Gurgel umdrehen. Bestimmt sagt TC in Russland daher das Gegenteil – unter der Hand – wenn man ihn dort fragte. Letztlich ist es ja auch egal, was er sagt, oder was er schweigt. Hauptsache ist doch, dass der SWR sagt, was nicht gesagt wird.
Außerdem findet Herr Claudi oder die SZ, ganz klar ist nicht, wer da etwas sagt oder nicht sagt, wenn beleglos vermutet wird:
Die Reaktionen des Publikums in den Konzerten mit Currentzis ließen aber vermuten, dass die allermeisten Menschen Verständnis für seine Situation hätten.
Womit der natürlich der Vermutung der Status des Belegten beigefügt wird. Klar, in so ein Konzert gehen die allermeisten Menschen nicht deshalb, weil sie einen kein Verständnis für TCs fabelhaftes künstlerisches und menschliches Wesen hätten. Umgekehrt könnte man auch sagen, dass die allermeisten Menschen nicht mal in Konzerte mit TC gehen, womit belegt wäre, dass sie kein Verständnis für seine Situation hätten. … Äh, nur so eine Vermutung 😉
Der arme TC, der arme SWR. Es wird herumgedruckst und herumgemurkst. Aber klar ist dagegen, wer hier den Bock baut.
“Ob aber Moritz Eggert mit seinem polemischen Brief zu dieser komplexen Debatte einen wertvollen Beitrag geleistet hat, glauben wir nicht.”
Wie sehr demütigend muss das für den Maestro sein, dass sein Arbeitgeber für ihn spricht und damit den unheilvollen Versuch unternimmt, Kritik(er) aus dem Weg zu räumen. Und dazu in einer Art, die in ihrer Argumentation geradezu infantil zu nennen ist. Und die verschweigt, dass sich TC nicht nur dazu nicht äußert, sondern auch nicht zum Verhalten eines Teils seiner Musiker, die keine Schwierigkeiten haben, sich zum russischen Angriffskrieg zu äußern und Kritiker ihrerseits beleidigen. Welchen Eindruck hinterlässt für die kritische Öffentlichkeit in Russland, wenn nicht einmal diejenigen, die es sich aufgrund ihrer Position leisten könnten, nicht zu schweigen, schweigen.
Mir hat Moritz Eggert in einem persönlichen Gespräch (das wir nie geführt haben) versichert, dass sein Offener Brief nicht polemisch ist und tatsächlich einen wertvollen Beitrag zu dieser gar nicht so komplexen Debatte (die es nicht mal gibt) geleistet hat. Es ist nicht einmal eine Batte.
Und der SWR so:
“Dirigent des Jahres”, “Ausnahmekünstler”, “revolutionärer Geist” – an Superlativen mangelt es nicht, wenn es um den 1973 in Athen geborenen Dirigenten Teodor Currentzis geht. Seit der Saison 2018/2019 ist er Chefdirigent des SWR Symphonieorchesters. (Quelle)
Currentzis ist ohenhin bald in Baden-Baden passé. Durch besonderes (oder normales) Engagement in Sachen Neue Musik in Donaueschingen hat er sich nie hevorgetan. Und dieses Jahr? Auch hier schweigt der revolutionäre Geist. Als Ausnahmekünstler steht er wieder nicht zur Verfügung. Der Pöbel darf dirigieren.