Manchmal weiß man nicht mehr, was den einen oder anderen Chefredakteur einer Zeitung umtreibt. Hier hat sich Ulf Poschardt im Zusammenhang mit den Veränderungen in der CDU weit aus dem Fenster gelehnt und zu bestimmen versucht, welcher Art und wessen Geistes die Intellektuellen oder Künstler in diesem Land sind. Er sagt da wirklich:
“Die Intellektuellen und Künstler sind entweder umfassend subventionierte Kostgänger des Staates und singen in bequemen Elfenbeintürmen das linksidealistische Lied – oder sie fantasieren sich als Kunst-Jakobiner in die Allmacht des Staates.”1Ulf Poschardt: Die kulturelle Katastrophe des Scheiterns von Friedrich Merz. WELT-Online.
Die WELT als intellektuellenbefreite Zone
Mit anderen Worten: In der WELT sind sie nicht zu finden, denn die ist ja nicht eine Institution die der Staat, der seine Mitarbeiter “umfassend subventioniert”. Dazu müsste man sich eingestehen, dass die WELT durch Werbung und Abonnentinnen subventioniert wäre, damit die Autorinnen der Welt dann als Kostgänger des Blattes empfunden werden könnten. Oder aber sie wären alle in der WELT Kunst-Jakobiner was wohl kaum als Selbstbeschreibung angenommen werden kann.
Abgesehen davon bereitet, angesichts der Zahlen beispielsweise der Künstlersozialkasse, die These, dass es sich bei den Künstlerinnen um umfassend subventionierte Kostgänger des Staates handle, einigermaßen Probleme beim Versuch, die These zu verifizieren.
Hier mal so ein Blick auf einen derartigen Elfenbeinturm.
Eigenartig wäre da auch die Bewertung des gesamten Bereichs der Publizistik, der Wissenschaft etc., die man als subventionierte Elfenbeintürme damit abwerten (oder aufwerten) würde. Das ist offensichtlich jedoch nicht der Fall, nicht einmal bei der WELT.
Im nächsten Satz wird dann klar, auf wenn Poschardt es eigentlich abgesehen hat, nämlich auf die “öffentlich-rechtlich finanzierten Medien”:
“Man muss auch kein Diplom in marxistischer Medientheorie besitzen, um zu ahnen, warum öffentlich-rechtlich finanzierte Medien in der Regel und im ureigensten Interesse das hohe Lied auf Regierung, Staat und deren Überbau singen.” 2Ulf Poschardt: Die kulturelle Katastrophe des Scheiterns von Friedrich Merz. WELT-Online.
Man muss nicht, aber die nachfolgende Analyse zeigt, es schadet auch nicht, mindestens in einer marxistischen Medientheorie mindestens ein Vordiplom zu haben. Allein schon, um den Gegenstand in seiner Weite oder Enge zu durchmessen.
Auch wenn Poschardt seinen Vorwurf etwas zurücknimmt (“in der Regel” – von der man ja spriwörtlich weiß, dass Ausnahmen sie bestätigten – sei das eben so), so macht er damit das Argument zugleich auch wieder zunichte. Das allerdings bedeutet eben auch, dass das Diplom in marxistischer Medientheorie auch für Poschardt einstweilen nicht erreichbar zu sein scheint. Eigentlich ist Poschardts Medientheorie sehr einfach zu erklären, und da braucht man auch kein Diplom in, ja in was eigentlich? Wo ihm der Überbau gleich auf die Füße fällt. Aua.
Ulfs Jodeldiplom
Sagen will er: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Wobei: Was bei den Springerles und Co’s natürlich in Abrede gestellt wird, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Idee und, immer noch großen Verwirklichung nach, staats- und erst recht regierungsfern konstruiert ist, offenbar verwirfen wird. Da singt Poschardt gerade die Melodie der AfD und mancher CDU/CSU-Politikerinnen. Das zu erkennen, dafür braucht es nicht einmal es loriotschen Jodeldiploms.
PS: Eine schon traurige Entwicklung dieses Musikwissenschaftlers. Überhaupt muss man mal zusehen, die Bedeutung des Musikwissenschaftsstudiums auf den Journalismus zu untersuchen. Auch Mathias Döpfner (Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger) promovierte ja 1990 mit einem musikwissenschaftlichen Thema (Musikkritik in Deutschland nach 1945) zum Dr. phil. – so wie Ulf Poschardt 1995 über DJ Culture. Eine traurige Entwicklung.
Fussnoten:
- 1Ulf Poschardt: Die kulturelle Katastrophe des Scheiterns von Friedrich Merz. WELT-Online.
- 2Ulf Poschardt: Die kulturelle Katastrophe des Scheiterns von Friedrich Merz. WELT-Online.
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