Die Hochschule für Musik und Theater München kommt nicht zur Ruhe – und sie kommt nicht einmal zu einer geordneten Unruhe. Für BR-KLASSIK hat Bernhard Neuhoff kürzlich den wiedergewählten Präsidenten, Bernd Redmann, für ein Interview gewinnen können. Wir erinnern uns: Es handelt sich um die Hochschule, in der während der alten Amtszeit des Präsidenten Redmann einige höchst ungute Verhaltensweisen seines Vorgängers und wohl auch eines Kompositionsprofessors das Licht der Gerichte erblickten. Während dieser Amtszeit hat deshalb die Hochschule eine Umfrage zu sexuellen Übergriffen am Haus gestartet, die, sagen wir es mal höflich, mit einigen Problemen zu kämpfen hat. Mit anderen Worten: Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht wirklich bekannt.
Bernd Redmann äußert sich zu dieser Thematik im Gespräch mit Bernhard Neuhoff. Leider im Ergebnis ergebnislos, dafür in der Sache einigermaßen widersprüchlich. Neuhoff fragt zum Beispiel: „Ein Spiegel-Artikel hat Zahlen genannt, die auf dieser Umfrage beruhen. Sie haben sich dazu bisher noch nicht geäußert. Warum halten Sie diese offenbar sehr brisanten Dinge bislang unter Verschluss?“
Antwort: „Dazu möchte ich zunächst sagen, dass diese Umfrage, wenn man so möchte, ein Vorreiter-Projekt ist. Meines Wissens sind wir die erste einzelne Hochschule in Deutschland, die so eine Umfrage überhaupt gemacht hat.“
Und etwas später heißt es dann lapidar:
„Ich will allerdings sagen: bei den wenigen vergleichbaren Umfragen, die es gegeben hat, sind auch vergleichbare Ergebnisse herausgekommen.“
Was will uns das sagen? Alle Umfrage zum Thema ergeben vergleichbare Ergebnisse. Ergebnisse, die a) niemand wirklich kennt, weil sie nicht veröffentlicht sind (wie will man Ergebnisse vergleichen, wenn die Daten der Ergebnisse unbekannt sind); b) dass es mit der Vorreiterschaft nicht so weit her ist und dass c) dazu gleich.
Denn dieses „Vorreiterprojekt“ war nicht gut gemacht, das gesteht sogar Bernd Redmann ein:
„Die Umfrage war von Ihrer Fragestellung her nicht differenziert genug. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: wir haben nicht klar differenziert, ob diese Vorkommnisse im Hochschulbereich stattgefunden haben oder im privaten Bereich. Ebenso bei der Zeitachse: waren die Vorkommnisse aktuell oder liegen sie Jahre zurück?“
Man möchte weinend ergänzen, sexuelle Übergriffe etc. sind nämlich ein Zeitphänomen. Das ist stümperhaft, aber immerhin vergleichbar mit den Ergebnissen offenbar vergleichbar „stümperhafter“ Umfragen? Doch das Problem sieht Redmann an einer anderen Stelle: „Was wir nicht gut gemacht haben: wir haben uns vorher nicht überlegt, wie wir die Ergebnisse kommunizieren.“ Genau. Das eben auch, sozusagen on top! Warum eigentlich, denn die „Umfrage war anonymisiert, das heißt, da kamen letztendlich statistische Ergebnisse heraus.“ Auch das erstaunt den Sozialwissenschaftler in mir. Denn, was man damit sagen will, liegt im tiefsten Dunkel. Kurios wirkt da die Ergänzung Redmanns: „Wir hatten eine kritische Nachfrage vom Landesdatenschutzbeauftragten und mussten auch noch mal nacharbeiten. Und er hat uns auch darauf aufmerksam gemacht, dass das sehr sensible Daten sind, die wir nicht einfach nach außen tragen können.“ Es kamen nur statistische Ergebnisse heraus, die aber sensibel waren, obwohl die Umfrage anonymisiert war? Eine eigenartige Logik. Ja klar: „Man muss solche Ergebnisse interpretieren können und dazu braucht man einen ziemlich differenzierten Hintergrund, das weiß man aus den Sozialwissenschaften.“ Nicht gesagt hat er: Den haben wir nicht. Den hatten wir nicht. Es ist unser Fehler.
Man startet also eine Umfrage, erhebt sensible Daten (das war vorher wohl nicht bekannt), die man nicht bearbeiten kann, weil man dazu nicht in der Lage ist. Und weil das so ist, bleiben die Daten geheim. Mindestens würde man jetzt erwarten, dass sämtliche Daten auf der Stelle vernichtet werden, man sich bei den Teilnehmerinnen dafür entschuldigt und nach außen kommuniziert: Wir haben es verbockt. Das redet man aber offensichtlich klein, weil es ja vergleichbare Studien gäbe, die vergleichbare Ergebnisse erzeugt hätten, die aber, weil man sie nicht interpretieren kann, letztlich auch nichts aussagen. Ein echtes Null-Ergebnis. Und für die Studierenden: Kann man dieser Hochschule noch irgend etwas anvertrauen? Ich sage: Besser nicht.
Problem damit beseitigt. Es ist eben genau dieser Präsident der Hochschule, der dann letzte Woche, trotz all dieser Versäumnisse wiedergewählt worden ist. [irony an] Andere Hochschulen haben sicher vergleichbare Präsidentinnen oder Rektorinnen. [/irony off]
In diesem Argumentationschaos also bewegt sich der Präsident, der zugleich nicht müde wird, Kritik aus dem Inneren der Hochschule als ins „Demagogische“ gehend zu bezeichnen. So sieht eine souveräne Hochschulleitung wirklich nicht aus. Zumal wenn man zugleich den Autoren der Kritik im Kontext eines anderen Zusammenhangs beschuldigt wird: „Da wird der Bereich zwischen Wahrheit und Unwahrheit wirklich ausgelotet.“ Beim besten Willen, wie bezeichnet man denn den Bereich zwischen Wahrheit und Unwahrheit? Welche Differenzierung gibt es denn dazwischen zu finden. Genauso wie das nachgeschobene, dass der Autor laut einer Richterin „sich immer am Rande einer Falschaussage“ bewege. Auch das muss man wohl eher anders herum lesen, denn solange der Autor keine Falschaussage macht, sagt er zumindest wohl auch nichts „Falsches“. Also ist es eben mindestens “noch” richtig was der Autor sage.
Wunderlicher Präsident, dieser! Aber es spielt auch keine Rolle in diesem Zusammenhang, was eine Richterin in einem anderen Zusammenhang sagt. Was immer die Richterin wohl gemeint haben könnte, wunderlich ja auch das, ein Straftatbestand wäre das schlicht und einfach ebenfalls nicht: Ich verurteile Sie, wegen „AmRandeDerFalschaussage“.
Nach außen hat Präsident Redmann keine Probleme auszuteilen, nach innen sind seine Aussagen konfus bis sinnlos. Aber wiedergewählt ist wiedergewählt. Das einzige Ergebnis, das man daraus ziehen kann, dürfte sein, man weiß, mit wem man die nächsten Jahre an der Münchener Hochschule rechnen kann. Die Lernkurve zeigt jedenfalls deutlich nach unten.
Lesen Sie dazu auch im Bad Blog Of Musick den Kommentar von Alexander Strauch: