Chinesische Kaiser begannen ihre Herrschaft mit dem Befehl, der Minister habe die Musik wieder in Einklang mit dem Weltall zu bringen. Heute würden wir es trocken nennen: die Stimmgabel neu zu eichen. Was sollte mit dieser Neuabstimmung erreicht werden? Die alten Weisen des Reiches der Mitte sprechen es deutlich aus: Staat und Musik sind, wie der Mathematiker sagen würde, funktionell verknüpft. Ist die Musik in Unordnung, muß es auch der Staat sein.”1Curt Sachs, Vergleichende Musikwissenschaft in ihren Grundzügen, Leipzig 1930, S. 66
Nachtrag 2018: Curt Sachs sah es so. Erstaunlich dabei, dass man von der Musik annahm, sie könne den Staat in Ordnung bringen. Ich weiß nicht, wie korrekt Curt Sachs hier wirklich geforscht hat. Aber die Grundidee ist natürlich verblüffend.
Hier arabisch-persische Leitern, die Curt Sachs aufgelistet hat. Unten die Dur-Tonleiter der Europäischen Kultur.
Dies zeigt einerseits, dass es sich bei der okzidentalen Tonleiterentwicklung um eine Art McDonaldisierung (ich klaue den Begriff mal bei Ritzer) der Musik gehandelt haben muss. Aber eben nur auf eine bestimmte Art. Morgen früh werde ich auch zeigen, was man damit machen kann. Und es erinnert aber auch an die Worte eines Musiklehrers in der Schule, der uns damals einen Synthesizer vorführte, dass es eine Schande sei, an ihn eine Tastatur anzuschließen. Er hatte damit sehr recht — aber das weiß ich auch erst seit ein paar Jahren.
Nachtrag 2018: Aus dem Blickfeld der arabisch-persischen Tonsystem heraus, müssen unsere europäischen aktuellen, jenseits der experimentellen kleineren Versuche, natürlich wie eine ungeheure Verarmung erscheinen. Wollte man das mal mit einem Begriff wie Leitkultur (als Leittonsystem) vereinen, wären solche Leitkulturen natürlich vor allem eines eben: Zeichen einer Verarmung.
Zuerst in der Kritischen Masse (2005) erschienen.
Fussnoten:
- 1Curt Sachs, Vergleichende Musikwissenschaft in ihren Grundzügen, Leipzig 1930, S. 66