ARD und ZDF wollen sich wandeln, müssen sich wandeln … das fordern sie in den Gazetten an vielen Stellen. Ob die FAZ(Z) mit ihrem üblen Staatsfunk-Vorwurf kommt, Springerchef Mathias Döpfner faselt spricht von einer Gefährdung nach nordkoreanischem Muster (oder auch nicht, wie Michael Hanfeld mit ein paar sog. sprachlichen Bernd-Höcke-Sprüngen meint) oder der Spiegel etwas von einer “unheimlichen Macht” titelt.
Journalismus sei ein „Werkzeug der Freiheit“, der „Scheinwerfer der Aufklärung oder, eine Nummer kleiner, zumindest die Taschenlampe des mündigen Bürgers“. 1Was Döpfner wirklich gesagt hat. Michael Hanfeld in der FAZ
Und noch kleiner geht’s nicht, oder? Gerade so, als ob es in ARD und ZDF keinen Journalismus gäbe. So trennt man denn die Welten des Journalismus in gebührenfinanziert und privatwirtschaftlich, aber warum? Vielleicht macht ein kurzer Blick in den Zeitungs/Zeitschriften-Journalismus schlau. Da blickt man gerade mal kurz in ein Focus-Magazin und findet:
Genau, das läuft unter “Kultur”. So wie Focus unter “Journalismus” läuft, oder? Weiterführende Texte aus dem kulturellen Kontext sehen dann so aus:
Ja. Wie gut, dass wir Meinungsvielfalt haben. Wenngleich sich die Meinung nicht auf gerade Allzuvieles zu beziehen scheint. Das ist der Focus, aber ja nicht die FAZ. Die FAZ ist nämlich wirklich fairer Journalismus. Vollkommen über den Dingen. Wenn sie halt nur nicht ihre Autoren hätte. Michael Hanfeld zum Beispiel. Dessen Kritik ist fast immer goldrichtig vorhersehbar. Sie ist weniger von Erkenntnis als Betroffenheit gekennzeichnet. So sehr der öffentlich-rechtliche Rundfunk Kritik nötig braucht, so sehr sollte man aber seine Zielscheibe genau so scharf eingrenzen, dass man sein Ziel auch triffen kann und nicht wie mit der argumentativen Schrotflinte kollateral Unersetzbares mittrifft.
Zurück: Die geforderten Wandelungen, die man dem öffentlichrechtlichen Rundfunksystem auferlegen möchte, betreffen sehr viele Punkte. A) der Rundfunkbeitrag soll nicht steigen; B) um das zu gewährleisten muss man rationalisieren (das sagt einem schon der bloße Menschenverstand ökonomischer Entwicklungen – dann hat eine Schokolade eben nur noch 140 gr statt 150); C) das geht am besten durch Fusionen (Erfahrungen dazu gibt es auch hinreichend – leider hat sich der Rundfunk daran auch schon prima selbst beteiligt – siehe Orchesterfusion beim SWR und das entsprechende Dossier in der neuen musikzeitung: SWR-Orchesterfusion) oder es geht dann, wenn einfach in weniger Zeit gleich viel geleistet wird (auch da hat man Erfahrungen, statt Redakteuren können ja auch Computerprogramme senden gestalten und moderieren).
Leider scheint sich die Sache eben dorthin zu entwickeln. Der Wandel geht voran durch schleichenden Qualitätsverlust, durch programmatische Ausdünnung zu leichter Kost hin, zu Automatismen. Damit aber schafft man erst die Möglichkeit, richtig einzukürzen. Wo sich die Programme immer mehr angleichen und dünnflüssiger werden, lassen sie sich auch schnell mixen und zusammenlegen.
Der Meinungskompass der Welt zur Frage von ARD/ZDF-Qualität/Fusion ist natürlich irgendwie durch eine zweidimensionale Darstellung völlig widersinnig und die Nadel schlägt die falsche Richtung ein. Denn die Qualität der Abstimmung findet kaum Beachtung. Die wären eher nach einer überzulegenden Sanduhr zu betrachten. Und da wäre eben der Nordosten von besonderer Bedeutung – oder der Nordwesten. Danach sind ARD und ZDF nämlich gute Sender – und die Leserinnen tendieren eher dazu, sich keine Fusion zu wünschen.
Letztes Problem: Der Begriff des Wandels. Wandel ist nicht immer gut oder schlecht. Es ist immer zuerst einmal nur Wandel. Den Wandel, den sich die FAZler, Spiegler und Döpfner wünschen, wäre vor allem: Haltet Euch aus unserem Geschäft heraus. Manipulieren und informieren dürfen nur wir, weil wir nicht gebührenfinanziert sind und nur abhängig vom Anzeigengeschäft und unseren Abonnenten. Und so gesehen wird eben umgekehrt ein Schuh draus: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss Mut zu seiner Selbstverwirklichung haben. Unabhängigkeit (und da muss man mal auch an die Rundfunkratssystem heran) und korrekten Bedarf ermitteln und auch fordern. Damit zum Beispiel eine Orchesterfusion wie beim SWR nicht durchgeführt werden kann.
Ich empfehle nach wie vor Andreas Kolbs Leitartikel aus der nmz 9/2017. Neuer Rundfunk in der Sackgasse? Die Reform kann keine sein, deren Ziel die Abschaffung dieses wunderbaren Instruments der Kultur sein könnte.
Aber ein bisschen blöde stellen sich die Sender schon an. In der Vergangenheit hat gerade im kulturellen Bereich vieles seinen Wandel schon vollzogen. Leider nicht zum Besten. Die Ignoranz, mit der seinerzeit der NDR auf die Initiative “Das GANZE Werk” reagierte, wäre ein Beispiel. Wie der MDR sein Kulturprogramm figaroisiert ein weiteres. Der Wellenwegschub von BR-KLASSIK in den DAB+-Orkus das nächste. Schelllackschätzchen beim WDR: weg. Radio Multikulti beim rbb: adieu. So macht man es sich nicht leicht, Freunde zu finden und vergrämt die Freunde insbesondere, die sich für den öffentlichrechtlichen Rundfunk besonders starkt gemacht haben.
Fussnoten:
- 1Was Döpfner wirklich gesagt hat. Michael Hanfeld in der FAZ