Soll ich jetzt die Berufung auf die Professur für Weltallmusik an der Universität Gardelegen annehmen oder doch weiterhin Abteilungsleiter im Bereich Materialermüdung am Bundesinstitut für Neue Musik in Teltow bleiben?
Material-Yoga
Ich meine, ist es wirklich das Ende meines musikalischen Lebens, Kompositionen von beispielsweise Moritz Eggert, Johannes Kreidler, Gordon Kampe oder Sarah Nemtsov auf Ermüdungsbrüche hin zu untersuchen. Sie allesamt einem Stresstest zu unterwerfen. Ich finde das ziemlich langweilig. Vor kurzem erste sind dazu die neuen Leitlinien des Bundesinstituts für kritische Ästhetik aus Freiburg veröffentlicht worden. Da steht dann wirklich drin, dass ja längst noch nicht alle Elemente des Klanges gefunden worden seien, man also vor Überraschungen nicht sicher sein könne. Musikalisches Material, sagen sie, sei prinzipiell unendlich. An den Hochschulen werde da geschüft und analysiert, bis die Partituren krachen. Und dann hören die einfach so Rockmusik zur Entspannung. Material-Yoga.
In der Nachbarabteilung arbeitet ein junger Herr Lehmann – im Konzeptkunstkritikprüfungslabor. Holla, wenn man da so rein guckt, dann kracht es da nur so wie auf alten Mopeds. Ich weiß nicht präzise, was der da so macht. Hat jedenfalls jede Menge Bücher bei sich zu liegen. Und braucht viel mehr Ruhepausen als selbst ich, der ich bei der Suche nach gefährlichen längst aus dem Verkehr genommenen Septolen häufig schon über Werktitel so ausrutsche wie “Schnarch ein(s/z)” oder “Tempelhofer Tauchsieder für Taschenfederkernmatratzendrohnen”.
Meine Kollegen aus der Musiktheaterabteilung, wir nennen sie höflich Schlamperabteilung, unterlaufen ja lauter Fehler diesbezüglich. Immer wider kommt es zu Brüchen zwischen Inszenierung, Text und Musik. So sollen einige Musiktheater akut einsturzgefährdet sein. Ist denen gar nicht aufgefallen. Musikalisch gesehen sind Einakter gerade die Bauform der Stunde, besser gesagt der 90 Minuten. Da reicht es oft nicht über Unter- oder Überbau, bzw. eigentlich ja nur noch dafür. Zu Sache selbst kommen die nicht mehr. Grau bemalt Weltpappe mit Blut und anderen Flüssigkeiten oder mit auch gar nichts als nichts. Regalmeta mit subtimalem (sic !) Erfolg. Aber da kümmern sich die Herrschaften von der Metaphysik weiter drum. Nächstens soll es ja Recyling geben, siehe Resampling-Urteil des BVerfG.
Maelstrom, Gleichstrom, Drehstrom, Wechselstrom.