26. Dezember 2024 Alles muss raus!

Tunnelblick der Gefühle – Hören und Erinnern

An sich habe ich ja professionell mit Musik zu tun. Das heißt, ich beschäftige mich auf die eine oder andere Art mit ihr. Früher auch durch Selbermusizieren und -komponieren, jetzt mehr theoretisch und eher mit den Rahmenbedingungen.

Aber ich bin sehr früh zum Musikerleben gekommen: Geschwister und Eltern haben Musik gemacht, ich war der Kleinste und kam in diese Welt hinein. Bei Familienfesten wurde viel gesungen. Wir hatten auch Schallplatten und man durfte sie auch benutzen, also anhören, ohne den Papa um Erlaubnis zu bitten.

Nun gibt es da eine sehr merkwürdige Erscheinung. So wie ich beim Fernsehen, wenn jemand in schwindelerregender Höhe steht, ganz tief in meinem Körper eine Art Zuckung spüre, die mich beklemmt, so kommen bei bestimmten Musikstücken eigenartige Gefühle auf. So gestern Abend.

Zur Dienstarbeit habe ich meine Musikbibliothek durchforstet. Bruckner sollte nicht, Brahms-Sinfonien mussten nicht. Aber da war doch das Violinkonzert in D-Dur op. 77. Gleich mit den ersten Tönen sprach da eine Musikstimme zu mir. Eine, die ganz tief in meiner Erinnerung wühlte, in meiner Kindheit oder Jugend. Die Platte sehe ich unscharf vor mir: Christian Ferras mit den Berliner Philharmonikern unter Ferenc Fricsay, wenn ich mich recht erinnere. Da spülte die Musik was hoch, da kochte eine Erinnerung in mir, zuckend. Doch so, dass man nicht ganz einsinken wollte. In der Musikbibliothek war es ein anderes Orchester, ein anderer Violinist und ein anderer Dirigent.

Das spielt aber keine Rolle. Es ist der Brahms, das plötzliche Wiedererleben eines zufriedenen Lebens, der doch wesentlich frohen und glücklichen Jugendzeit. Aber eben nicht nur das. Die Intensität des Körpers. Einen ähnlichen Effekt gibt es auch beim Konzert von Tschaikowsky. Da aber ganz eng gebunden an die Aufnahme mit David Oistrach die im Haushalt stand.

Es ist wohl nicht nur die Musik, sondern diese besondere Musik mit den Violinkonzerten. Immerhin war es mein Traum in der fünften Klasse, einmal Tschaikowsky spielen zu können. Das Nonplusultra überhaupt.

Ich frage mich, wohin dieser Tunnel des Gefühls am Ende vielleicht zielen würde. Was wohl passieren würde, könnte ich mich da wieder ganz hineinfallen lassen. Aber mir scheint, dafür bedürfte es einer absoluten Sicherheit des Ichs, die nicht da ist. So bleiben denn die Fetzen der körperlichen Erinnerung, die mich daran erinnern, dass für Momente ein Gefühl der Freiheit möglich wäre.

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