25. Dezember 2024 Alles muss raus!

Die Kunst der Sequenz – Musikalische Analyse II

Hier sehen wir einen frühen Beitrag zum „neuen Konzeptualismus“: Charlie Chaplin und Buster Keaton mit einer Aufführung von „Generation Thrill“ aus dem Film-Klassiker „Limelight“.

Charlie Chaplin and Buster Keaton (limelight… von Mallu-palace

Es geht hierbei um eine Dekonstruktion des Konzerts als Desavouierung des Aktes der Kontemplation. Die beiden Akteure, aus linguistischer Sicht und zur Abgrenzung gegen den sonst missverständlichen Gebrauch, nachfolgende Aktöre (Referent, Signifikanz, Signifikat oder Siggifikant) genannt, betreten die Bühne eines Theaters musikalischer Grausamkeiten. Deutlich zeigen sie, wie scheinbar periphäres Agieren zum Zentrum ihrer eigenen performativen Distanz dissoziieren. Wie wenig ihnen es um die Musik geht, geht aus der Unspielbarmachung ihrer anderen Aktöre (der Instrumente) hevor. Hier wird alles zur Disposition gestellt. Noch der Kampf um die Spielbarmachung von bedrucktem Papier (Noten) stellt die Frage, wie sehr Anweisungen (Noten sind ja nichts anderes als Anweisungen, Regeln, Konventionen und quasi autoritäre Entitäten) am Ende überflüssig sind.

Kampf um gesellschaftliche Anerkennung

Auch die Austauschbarkeit der Instrumente wie ihre Spielweise (Violine linkshändig oder rechtshändig), zerstört oder aus dem Ärmel gezaubert, wird vorweggenommen im Spiel der verschieden langen Beine des Aktörs in weiten Hosen. Es ist der Kampf um gesellschaftliche Anerkennung, es geht um die Kritik des Defekts, die hier nicht sinnfälliger zum Tragen kommt.

Wie auch immer feindselig die Umgebung (Bühnenhang) sein mag, der musikalsiche Aktör bleibt noch in der großen Trommel unbeirrt. Auch dies eine Kritik und Apologie der Kunst in der Gegenwart zugleich. Genau wie die läppische emotionale Gebundenheit, die wie eine zweite Natur, Besitz ergreift von den Aktören in dem sie weinen oder schluchzen (oder dies reflexartig simulieren), ohne dass man eine Resonanz des Publikums bemerken würde (Theater der Grausamkeit). Hier kristallisiert sich die Autonomie Kunst deutlich wie nie heraus. Es ist die, die keines Publikums mehr bedarf, die sich vielmehr an das Medium des Films selbst wendet und den anonymen Zuschauer der Szene, die der Film als solcher generiert.

Tragik und Tragödie

Die Tragik ist auch eine der Musik, wenn sie denn hevorgebracht wird. In Sequenzen, die sich beliebig lang bis in die Subtonalität erweitern lassen, was die die Aktöre der Vorstellungskraft des Zusehers – wie nett – überlassen. Das System beobachtet sich selbst und wird dabei beobachtet.

Wir haben es hier zugleich mit einer Früh- und Spätform des neuen Konzeptualismus zu tun. In der Entgrenzung seiner hermetischen Abschottung geht die Performance zugleich über sich hinaus und krisiert sich – in Abwandlung von Neil Postmans geflügeltem Wort – buchstäblich zu Tode.

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