Es ist der unbeschreibliche Vorteil der einseitigen Kommunikation, dass sie einen versperrten Rückkanal hat. So wie beim Rundfunk auch heute vom Grundgedanken her. Es wird etwas hinaus gesendet, das einen Hörer oder mehrere findet. Diese können darauf alleine oder zusammen reagieren, aber es bleibt ihre Reaktion, die fast nie zum Sender zurückläuft.
Brechts Gedanke aus der Radiotheorie, dass jeder Mensch zum Sender werden könne, solle ist noch inspiriert davon. Es ist nur die Umkehrung des Prinzips. Der offene Kanal. Aber so oder so: Ohne Rückleitung.
In der Kunst ist das nicht viel anders. Überall Sender, da und dort Empfänger, die bis zu einem bestimmten Punkt sich dazu äußern, aber das Kunstwerk ändert sich dadurch in der Regel nicht.
Mit dem Internet hat da eine andere Form sich ausgebreitet. Da wird jetzt jeder Mensch zum Sender, ob er will oder nicht. Und außerdem wird der Rückkanal endlich genutzt. Der Fernseher in den man sieht, sieht einen selbst! Man wird zum Mitspielen gezwungen, ob man es will oder nicht, ob man es weiß oder nicht. Unter dem Beta-Titel: Web 2.0 hatte man da große Erwartungen hineingesetzt. Aber was hat denn das Web 2.0 verändert? Es hat nicht eine einzige neue Funktion den älteren Möglichkeiten hinzugefügt, die es zuvor nicht auch gegeben hätte – in Mailinglisten und Newsgroups. Aber diese Dinge waren nicht niederschwellig genug. Jetzt konnte man plötzlich ins Internet „hineinschreiben“.
In die Musikpädagogik wirkt das nun auch hinein. Die Menschen werden in die Musik hineingesaugt, ob sie es wollen oder nicht ist dabei egal. Die Angebote müssen entsprechend niederschwellig sein und was nicht niederschwellig ist, wird niederschwellig gemacht. Das ist nicht großartig anders als bei den Ratespielunterbrechungen im Fernsehen, wo man Fragen beantworten darf, deren Antwort vorgegeben ist als A oder B (was schon für unwahrscheinlich hohe Gewinnmöglichkeiten spricht), wobei eine der beiden Antworten absurd ist.
Nicht anders geht man mit der Musik um. Damit die Leute (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) bei der Stange bleiben, holt man sie an der seichtesten Stelle ins Boot, je früher, je besser. Nur wem ist damit gedient? Welchen Zweck verfolgt man damit? Wer hat welchen Nutzen davon?
Beim Internet ist die Antwort einfach. Und bei der Musik? Wer hat genau was davon, wenn, ja wenn eine Person mehr ein Stück von Madonna, Perotin oder Nono hört/spielt/kapiert/ichweißnichtmalwasundwarum? Das Problem in der Musik sind doch eher die geschlossenen Geschmacksgruppen, die sich teilweise hermetisch nach außen abriegeln und den Zugang vor allem sozial und weniger musikalisch regeln. Bei den Musikabteilungen des Rundfunks das gleiche Phänomen.
Zurück zum Internet: War früher jeder Sender ein ideologischer, so ist es jetzt jeder Empfänger, der zum Ideologen wird, weil er nicht mehr nur empfängt, sondern im gleichen Moment sendet. Der Unterschied aber bleibt gewaltig. Die einen senden, weil sie wollen, die anderen senden, weil sie müssen. Freiheit sieht in der Tat anders aus.
PS: In diesem Zusammenhang bleibt es auch ein grundsätzliches Problem, wie man mit Anonymität umgeht als einem nicht rückverfolgbaren Rückkanals. Sie scheint ebenso geboten wie falsch. Auch sie ist von den Bedingungen der gesamten Kommunikation erzwungen. Sie ordnet sich dem Spiel unter, ohne es zu übernehmen.