Wer auf ein Symposium geht, wird darin umkommen, es sei denn, er ist Vortragender. Dann wird man komplett verkommen. Seit gestern in Berlin, das Dahlhaus-Symposium. Es geht noch bis zum Freitag abend. Thema: Dahlhaus.
Auf den Podien, viele Dahlhausianer. Und andere, deren Vorträgen man nur schwer folgen kann. Dahlhaus wirkt auf wie ein Opfer seiner Verehrung und zugleich als unantastbare Überfigur. Es gibt im musikwissenschaftlichen Bereich ja fast nichts, worüber er sich nicht geäußert hätte, im Zweifel sogar mehrfach.
Das macht ihn zu Zentralfigur der Musikwissenschaft in Deutschland in dern 70er und 80er Jahren. Und das, obwohl es sich offenbar nicht als Hochschullehrer und Musikwissenschaftler sondern vor allem als Schriftsteller verstanden haben soll.
Momentan fehlen mir doch stark diejenigen dort, die etwas deutlicher hinter Dahlhaus herumlugen. Es ist alles vermutlich sher gescheit gesagt, bei dem, was ich gelich gar nicht verstehe. Aber damit bin ich dort ziemlich allein.
Insgesamt finde ich besonders anstregend, den für das Buch geschriebenen Vorträgen zu folgen, die einfach eine andere Dynamik haben als freie Vorträge. Gleichzeitig kann man nicht frei sprechen, wenn man an den Texten kleben muss. Auch das eine vielleicht eigentümliche "Dialektik" im "emphatischen" Sinne.
Ich hab von dem vor
Ich hab von dem vor gefühlten 100 Jahren was arg verknotetes zur Musikästhetik gelesen – nichts für schwache Nerven.
Schwache Nerven, die habe
Schwache Nerven, die habe ich irgendwie offenbar.
Ach ja, der alte Dahlhaus.
Ach ja, der alte Dahlhaus. Kann mich erinnern, als er gestorben war, gab es ein Symposium in Mainz, da ging es um die Zeit im 19. Jahrhundert, die Dahlhaus als “tote Zeit der Symphonie” oder so ähnlich bezeichnet hatte. Da wurde dann genüsslich auf ihm rumgehackt und aufgezählt, wieviele Symphonien zwischen Schumann und Brahms doch geschrieben worden seien und man kam sich furchtbar schlau vor. Aber der hatte das natürlich nicht quantitativ gemeint. Hatte den emphatischen Symphonie-Begriff im Sinn, nicht den pragmatischen. Nach der kurzen Ans-Bein-Piss-Zeit (viele waren wohl froh, dass der so ziemlich einzige deutsche Musikwissenschaftler, der auf Augenhöhe auch mit Philosophen, Historikern, Literaturwissenschaftlern und Komponisten diskutieren konnte, endlich weg und man in seiner Mittelmäßigkeit wieder ganz unter sich war) setzte dann die Heiligenverehrung ein. Und man legte tatsächlich mit einer Gesamtausgabe seiner Schriften los. Wo die doch alle in den Bibliotheken stehen, halt verteilt auf Bücher, Zeit- und Festschriften, aber irgendwie müssen ja die Studiengebühren verbraten werden und auch für Wissenschaftler ist so eine Herausgabe natürlich ein hochinteressantes, vor Kreativität nur so strotzendes Feld. Jetzt aber Schluss mit dem Nachtreten. Seine “Musik des 19. Jahrhunderts” oder die “Idee der absoluten Musik” oder seine analytische Begründung, warum Gounods “Ave Maria” Kitsch ist, bleiben natürlich Klassiker. Auch wenn einem das mit der “Problemgeschichte des Komponierens” schon auf den Geist gehen kann…