31. Januar 2025 Alles muss raus!

Gern gelesen – Aristoteles und die Bohème

Heute bei Buster gesehen, eine Abhandlung Herr A. kam nicht bis Düsseldorf. A. kannte nicht einmal Düsseldorf, ist anzunehmen, er wäre auch nie dorthin gekommen. Obwohl, ich kenne mindestens zwei Menschen in Düsseldorf, die A. schon einmal gesehen haben dürften.

Ein zweiter Hinweis: Jens Brachmann in der Berliner Zeitung über das Abschlusskonzert der Berliner Philharmoniker. Unter dem Titel "Tanz im Schlafsack" geht der Autor in zahlreichen Wendungen recht eindrucksvollen Lautäußerungen nach und der Frage, warum so viele sich den Wein wegnehmen lassen. Aber er beantwortet nicht die Frage, wo denn die Kühlboxen und Säfte verblieben sind.

Geflossen wäre es auch vom Himmel beinahe. Doch beherztes La-Ola-Machen des Publikums, erwidert vom Orchester, schien die Wolken zu versiegeln. Da hatte der 27-jährige Gustavo Dudamel, Pionier der orchestralen Jugendbewegung in Venezuela, nur noch gegen die Kälte anzudirigieren. Und siehe: In den Herzen ward’s warm, still schwieg Kummer und Harm. Nur auf Fingern und Füßen stellte sich langsam dieses Morgentau-Im-Faltboot-Gefühl ein. Nach der Pause lugten bei vielen Frauen nur noch die Augen aus den Stepp-Anoraks – diesen Schlafsäcken mit Ärmeln – heraus, und auch Herr Döpfner war im Pelzbortenparka verschwunden. (Berliner Zeitung)

Und da wir bei der Berliner Zeitung einmal sind.Im April hat Peter Fuhrmann die Boheme-Premiere an der Komischen Oper gesehen und sehr gut gelaunt darüber berichtet: "Bohème der Bohème". Die Bohème, die ständig von der "musikalischen Kitschpolizei" unter Beobachtung steht.

Denn ja, "La Bohème" ist ein rührseliges Stückchen mit Melodien, die im Ohr kleben bleiben wie Zuckerwatte an den Händen, und Homokis Inszenierung nimmt das Stück ernst, statt ihm die Eingeweide rauszureißen. Und um gleich noch eins draufzusetzen: Natürlich singen hier keine Weltklassestimmen. Aber für die Vokalfetischisten, die sich gerade in Berlin so oft mit Opernliebhabern verwechseln, gibt es ja noch zwei Häuser in Berlin und außerdem das reiche Erbe der Tonträgerindustrie, wo man ganz ohne irritierende Szene Stimmen hören kann, wie es sie heute gar nicht mehr gibt. (Berliner Zeitung)

Und dann gibt es noch eine zweite Zeitung in Berlin, die freilich weniger gut ist, und immer schlechter wird. Den Tagesspiegel, den vor allem der alte Westberliner nicht aus der Hand geben mag. In der Ausgabe von gestern, die in  Briefkästen hier verteilt wurde, auf die die Katze heute schon kotzen konnte wegen weniger schmackhafter Blätter vom Balkon, also in der Ausgabe gestern, wurden die aktuellen Probleme des DSO (Deutschen Sinfonieorchesters) mit ihrem Chef, Ingo Metzmacher dargestellt, so wie seine Zukunft, die offenbar nicht gesichert ist. Frederick Hanssen meint in "Das verflixte erste Jahr":

Mit einem breit gefächerten Informationsangebot vom analytisch-akademischen Saison-Begleitbuch bis zum Videoblog auf der DSO-Website versuchte Metzmacher, die Zuhörer auf sein Herzensthema hinzuführen – und erntete doch nur eine politische Reflexdebatte. Eine Riesenenttäuschung für einen, dessen Credo lautet: „Wenn ich eine Musik höre, die mich anspricht, die in mich hineinfällt wie ein Licht, folge ich ihr, suche nach mehr.“ Metzmacher erforscht Zusammenhänge. Viele Klassikhörer suchen in der Musik dagegen vor allem das Vertraute und verspüren daher wenig Lust, dem Dirigenten bei seinen Erkundungen zu folgen. Wie gesagt, Ingo Metzmacher neigt dazu, seine Mitmenschen sehr hoch einzuschätzen. (…) Orchestermusiker erwarten, dass ihr Chef nicht nur gute Konzerte dirigiert, sondern auch finanzielle Vorteile für sie herausholt.

Das mag enttäuschend klingen und wirft die Frage nach der Funktion von Chefdirigenten wieder einmal auf. Mit Metzmacher, Zagrosek, Rattle und Barenboim sitzen in Berlin gewiss vier extrem unterschiedliche Persönlichkeiten und Vertreter ihrer Zunft. Wäre mal an der Zeit sie einem "Wahren-Test" zu unterziehen.

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