Im vorhergehenden Eintrag habe ich Walter Benjamin aus seiner “Einbahnstraße” zitiert. “Armut schändet nicht”, die hohle Floskel, die von oben herab das Leben zur Erträglichkeit verschönt. Benjamins Text geht aber weiter. Und er berührt darin noch deutlicher die Gegenwart, als es zunächst schien.
Aber nie darf einer seinen Frieden mit der Armut schließen, wenn sie wie ein riesiger Schatten über sein Volk und sein Haus fällt. Dann soll er die Sinne wachhalten für jede Demütigung, die ihnen zuteil wird, und so lange sie in Zucht nehmen, bis sein Leiden nicht mehr die abschüssige Straße des Grams, sondern den aufsteigenden Pfad der Revolte gebahnt hat.
Walter Benjamin, Einbahnstraße, Frankfurt am Main 1977 [1928], S. 30.
Darin hatte Benjamin seine Hoffnung gesammelt. Nur sind die Chancen für das Wachhalten der Sinne nicht die besten. Die Demütigung richtet sich auch auf die Sinne. Leider häufig im Einverständnis mit dem Unheil. Benjamin sieht das:
Aber hier ist nichts zu hoffen, solange jedes fruchtbarste, jedes dunkelste Schicksal täglich, ja stündlich diskutiert durch die Presse, in allen Scheinursachen und Scheinfolgen dargelegt, niemandem zur Erkenntnis der dunklen Gewalten verhilft, denen sein Leben hörig geworden ist.
A. a. O.
Die ganze Sache ist einfach zu billig und zu tief aufgehängt. Der Diskurs über Armut und Reichtum befällt einen in einem derartig niedrigen Reflexionsniveau insgesamt. Jeder kleine Manager weiß längst mehr, jeder Politiker hat die BILD-kompatiblen Patente bereit. Perfekte Vernebelungsdiskurse all dies, die in ihrer Wunderkerzendenke genau wie auch in der Verdunkelungsstrategie ein Imrechtwähnen aufspülen. Gedanken-Palmolive für die Gesellschaft: “Sie baden ihr Hirn gerade darin.”
Benjamin schreibt kurz später:
Aus den Dingen schwindet die Wärme.
Ebenda, S. 34
Dieser Vorgang ist so grundlegend und er erfasst einen niederträchtig unmerklich. So sind Armutsproduktion und Neid (auch und gerade bei den Besitzenden) jeweils teuflische und unerbittliche Geschwister. Paart sich dies mit Geiz als Wohlstandsgarant, ist zumindest von nirgendwoher ein Ansatz zur Lösung sichtbar. Ketten, in die man sich zur Sicherung des Eigenen selbst anlegt, sind nicht weniger brandgefährlich als Ketten aus Überwachung und Freiheitsreduktion. Selbstverfasste Dummheit, die sich selbst erzeugt. Ein perpetuum mobile mag es in der Mechanik nicht geben, in der Gesellschaft ist es die Standardenergie.
Im vorhergehenden Eintrag habe ich Walter Benjamin aus seiner “Einbahnstraße” zitiert. “Armut schändet nicht”, die hohle Floskel, die von oben herab das Leben zur Erträglichkeit verschönt. Benjamins Text geht aber weiter. Und er berührt darin noch deutlicher die Gegenwart, als es zunächst schien.
Aber nie darf einer seinen Frieden mit der Armut schließen, wenn sie wie ein riesiger Schatten über sein Volk und sein Haus fällt. Dann soll er die Sinne wachhalten für jede Demütigung, die ihnen zuteil wird, und so lange sie in Zucht nehmen, bis sein Leiden nicht mehr die abschüssige Straße des Grams, sondern den aufsteigenden Pfad der Revolte gebahnt hat.
Walter Benjamin, Einbahnstraße, Frankfurt am Main 1977 [1928], S. 30.
Darin hatte Benjamin seine Hoffnung gesammelt. Nur sind die Chancen für das Wachhalten der Sinne nicht die besten. Die Demütigung richtet sich auch auf die Sinne. Leider häufig im Einverständnis mit dem Unheil. Benjamin sieht das:
Aber hier ist nichts zu hoffen, solange jedes fruchtbarste, jedes dunkelste Schicksal täglich, ja stündlich diskutiert durch die Presse, in allen Scheinursachen und Scheinfolgen dargelegt, niemandem zur Erkenntnis der dunklen Gewalten verhilft, denen sein Leben hörig geworden ist.
A. a. O.
Die ganze Sache ist einfach zu billig und zu tief aufgehängt. Der Diskurs über Armut und Reichtum befällt einen in einem derartig niedrigen Reflexionsniveau insgesamt. Jeder kleine Manager weiß längst mehr, jeder Politiker hat die BILD-kompatiblen Patente bereit. Perfekte Vernebelungsdiskurse all dies, die in ihrer Wunderkerzendenke genau wie auch in der Verdunkelungsstrategie ein Imrechtwähnen aufspülen. Gedanken-Palmolive für die Gesellschaft: “Sie baden ihr Hirn gerade darin.”
Benjamin schreibt kurz später:
Aus den Dingen schwindet die Wärme.
Ebenda, S. 34
Dieser Vorgang ist so grundlegend und er erfasst einen niederträchtig unmerklich. So sind Armutsproduktion und Neid (auch und gerade bei den Besitzenden) jeweils teuflische und unerbittliche Geschwister. Paart sich dies mit Geiz als Wohlstandsgarant, ist zumindest von nirgendwoher ein Ansatz zur Lösung sichtbar. Ketten, in die man sich zur Sicherung des Eigenen selbst anlegt, sind nicht weniger brandgefährlich als Ketten aus Überwachung und Freiheitsreduktion. Selbstverfasste Dummheit, die sich selbst erzeugt. Ein perpetuum mobile mag es in der Mechanik nicht geben, in der Gesellschaft ist es die Standardenergie.
Kürzlich ein
Kürzlich ein bedenkenswerter Satz zum Steuerskandal und der Verweigerung der Geldelite, sich angemessen an den Kosten des Gemeinwohls zu beteiligen, gelesen in der ZEIT vom 21.2. unter dem Titel “Sie sind so frei” (Autoren sind Marc Brost und Jean Heuser):
“Der deutsche Klassenkampf ist ein Klassenkampf von oben.”
Das könnte man für die vergangenen 10 Jahre wohl so unterschreiben.
Die Autoren stellen auch den
Die Autoren stellen auch den Begriff der “Fairness” in den Mittelpunkt der Ausführungen. Wie also kann man “fair” handeln, wenn einem pausenlos und rund um die Uhr – und mit Mitteln der permanenten Einflüsterung – eher das “frech kommt weiter” eingebimst wird. Und sich der, der sich anschickt fair zu sein, laufend enttäuscht sieht?
Was, glaube ich, neu ist,
Was, glaube ich, neu ist, ist die Tatsache, dass ein Multimillionär und Zyniker wie Herr Bohlen zum Volkshelden werden kann. Der “Klassenkampf von oben” fand nirgendwo so unmaskiert statt wie bei Bohlen in diesen DSDS-Sendungen: Bohlen erniedrigte Kandidaten und das Publikum fand’s toll. Im Grunde konnte man das, was da vor sich ging, auch so lesen: Ein Vertreter der Elite stieß die Emporkömmlinge zurück in den Rinnstein, wo der Plebs saß und dazu klatschte.
Fairness funktioniert in einer solchen Gesellschaft wirklich nicht. Wir brauchen andere Vorbilder, ja andere Helden in den Medien. Nicht Bohlen oder Michael Schumacher. Sondern russische Journalistinnen, kubanische Bloggerinnen, tibetanische Mönche und ehrenamtliche E-Jugendtrainer.
Ich stimme dir da zu,
Ich stimme dir da zu, wenngleich ich Bohlen nicht überbewerten würde. In der Tendenz stimmt es ganz sicher. Und und in der konkreten Beobachtung kann man da nicht widersprechen.
Nur mit den neuen Vorbildern oder Helden habe ich so meine Probleme. Sie wären ja da. Für all die genannten Fälle lässt sich aber eben gerade kein Rezept machen. Sie sind was sie sind. Sie machen vieles ohne Rückanspruch. Wenn es wenigstens soweit schon reichen würde, dass sie diese Tätigkeiten unbehelligt und unbestraft und ohne Gefahr ausüben könnten, wäre ein weniges getan.
Bohlen ist ja nichts. Herr B
Bohlen ist ja nichts. Herr B ist eine Hülle, die von einem Massenbedürfnis gefüllt wird. Das diese Hülle zufällig auf den Namen Dieter hört ist Ergebnis unpersönlichster Emergenz. Die gleiche Mechanik gilt für alle exponierten Rollen des Hive. Niemand sucht sich das aus, zumindest nicht 100 prozentig. Auf dieser Deutungslinie liegt dann auch der Klassenkampf von oben. Vollständig durchsetzen lässt sich das nie, aber versuchen kann mans ja. Auch mittels Agenturen wie Agenda in Berlin oder INSM.
Dieweil springt Weltweit der Trend zu einer Verschärfung der Vermögensungleichverteilung ins Auge, bei gleichzeitigem Ideologiedruck von Oben. Meine Fresse, und das ist das geistige Mileu in dem ich täglich leben muss.
(Und diese Schiessscharte soll ein Kommentarfeld sein? 😉 )
Auch das ist wahr. “Du bist
Auch das ist wahr. “Du bist doch echt bekloppt” wäre mal eine Alternative als Kampagne. “Wie blöd muss man sein …” wäre eine andere.
Erlebt wird es anders. Neulich, bei dem Döner-Händler meines Vertrauens hörte ich ein Gespräch von Schülern, wie man sich am besten zu verhalten habe, was man am besten lernen solle. Der eine sagte, man muss die Inhalte des Unterrichts an die realen Verhältnisse anpassen, vor allem im zwischenmenschlichen Bereich. Das heißt Zocken, Blenden, Egoistischsein. Alles andere wäre doch sowieso nicht förderlich.
Der andere Schüler hatte dafür kein Verständnis. Aber immerhin redeten beide miteinander ohne sich in die Haare zu bekommen. Erinnert mich an das Apelsche “Apriori der Kommunikationsgemeinschaft”. Ohne dies ist es wohl endgültig vorbei.
Der Döner schmeckte übrigens weiterhin ausgezeichnet.