26. Dezember 2024 Alles muss raus!

EU-Logik

Der Bundesverband Musikindustrie unterstützt die Initiative eines EU-Kommissars McCreevy. Der will die Schutzfristen für Künstler von derzeit 50 Jahren auf 95 Jahre hinaufsetzen. Es gäbe keine vernünftigen Gründe gegen eine solche Fristsetzung. Warum man allerdings nicht sofort auf 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers geht, wie bei Urhebern, ist gleichermaßen unverständlich. Der Bundesverband Musikindustrie, der heute den ECHO im ICC in Berlin verteilt, zitiert McCreedy mit den Worten:

“Es sind die Künstler, die eine Komposition erst lebendig machen. Während die meisten von uns keine Idee haben, wer einen Song geschrieben hat, können wir in der Regel den Künstler benennen.”

Mit dieser Rückwärtslogik wäre es dann doch nur konsequent, die Positionen von Künstlern und Urhebern einfach zu tauschen. Schließlich besteht die ganze Musikwelt nur aus Songs.

Wenn man allerdings zurückblickt auf die Entwicklung in Deutschland, dann fällt einem auf, dass genau die Unterscheidung zwischen Künstler und Komponist eine Neuerung des Rechts der 60er Jahre ist. Selbst das Bundesverfassungsgericht erklärte beide Leistungen für unterschiedlich – was zuvor eben nicht der Fall war. Man ging sogar auf eine Schutzfrist von 25 Jahren herunter, ehe es recht bald auf 50 Jahre hochgesetzt worden ist. 1971 begründete das Bundesverfassungsgericht die Schutzdauer-Dauer so:

“Die Angemessenheit der Schutzdauer kann zu verschiedenen Zeiten je nach der Bewertung der widerstreitenden Interessen verschieden beurteilt werden. Der Gesetzgeber war nicht genötigt, die im Jahre 1910 oder 1934 unter anderen Verhältnissen und anderen technischen Möglichkeiten angeordnete Befristung von zunächst 30 und dann 50 Jahren seinem Reformwerk zugrunde zu legen. Er konnte die inzwischen eingetretene Änderung in der allgemeinen Bewertung der Schutzrechte berücksichtigen, zumal die Gleichstellung der Interpreten mit den Urhebern bei der Bemessung der Schutzfrist nach bisherigem Recht in der Literatur seit langem als sachlich verfehlt ganz überwiegend abgelehnt wurde, und zwar sowohl hinsichtlich der Länge der Schutzfrist als auch bezüglich der Berechnung nach der Lebensdauer des Künstlers. Sie gab auch in der Praxis zu Zweifeln über die Dauer des Schutzes Anlaß, besonders bei Chor- und Orchesteraufnahmen, da sich die 50jährige Schutzdauer nach dem Tode des zuletzt versterbenden Chor- oder Orchestermitglieds berechnete. Die neue Regelung des Rechts des ausübenden Künstlers soll gerade dem Wesen der zu schützenden Leistung gerecht werden und dem Unterschied zwischen der schöpferischen Tätigkeit des Urhebers und der nachschaffenden Leistung des ausübenden Künstlers bei der Bemessung der Dauer des Schutzrechts angemessen Rechnung BVerfGE 31, 275 (288)BVerfGE 31, 275 (289)tragen. Der Gesetzgeber orientierte sich hierfür an der in Artikel 14 des Internationalen Abkommens vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen – sog. Rom-Abkommen – den ausübenden Künstlern eingeräumten Mindestschutzdauer von 20 Jahren seit dem Ende des Jahres der Aufnahme oder der Darbietung oder Sendung (vgl. Gesetz vom 15. September 1965 [BGBl. II S. 1243]). Er ließ sich von der Überlegung leiten, daß eine Schutzfrist von 25 Jahren mit dem Erscheinen der Aufnahme oder seit der Darbietung dem Künstler eine bei Abwägung aller Interessen angemessene wirtschaftliche Auswertung seiner Darbietung ermöglicht. Mit diesem Gesichtspunkt hält sich der Gesetzgeber im Rahmen eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auch der Befristung anderer Rechtspositionen zugrunde liegt, nämlich der Erwägung, daß die Schutzdauer so zu bemessen ist, daß sie dem Berechtigten eine angemessene wirtschaftliche Verwertung der Leistung sicherstellt.

Die Begrenzung der neuen Schutzrechte durch § 82 UrhG ist somit verfassungsmäßig.” [Quelle]

Das heißt natürlich umgekehrt, unter Berücksichtigung insbesondere des ersten zitierten Satzes, dass so etwas Verhandlungssache ist. Wenn sich also neue Entwicklungen ergeben haben, die eine Veränderung der Bewertung aufnötigen, so soll man die Argumente vorbringen. Das kann natürlich auch andersherum laufen, wenn man vielleicht festsstellt, dass der Künstler gar nicht selbst singt sondern das Stimmband des Produzenten ist. Wenn man also für eine offene Diskussion zum Thema ist, sollte man auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Schutzfrist auch mal wieder verkürzt werden kann.

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