27. Dezember 2024 Alles muss raus!

Zeitgeist – made in Berlin

Merlin aus Berlin. Die Berliner Gazette hat heute einen weiteren Text zum “Thema” Zeitgeist nach außen transportiert. Die lobenswerte Gazette hat dem Johnny von Spreeblick ein digitales Fenster geöffnet. Das ist ein sehr merkwürdiger Text, der manchmal ganz Kluges Zeug ausbreitet, dann aber vollkommen aus dem Tempo kommt, um schließlich auch einmal kitschig-banal zu werden.

So macht Johnny sich

keine Sorgen darueber, dass kommerzielle Blogs das Gesamtbild verzerren koennten, es wird immer die Gegenoeffentlichkeit geben. Es gibt, anders als bei den klassischen Publikationsformen, keine Produktionshoheit mehr und das ist gut so. [Quelle]

Wobei ja schon es nicht passt, Gegenöffentlichkeit im Zusammenhang mit Blogs und unter sich zu mischen. Ich bin die Gegenöffentlichkeit von Semmel. Oder von Buster? Oder von BildBlog? Oder umgekehrt. Gegenöffentlichkeit wird so meines Erachtens sinn entleert. Und das mag wieder stimmen. In der totalen Öffentlichkeit wird es kein “gegen” mehr geben, weil alles gegen ein “gegen” einschließt. Und alles zum “für” wird.

Gegen Ende des Artikels wird Johnny aber doch sehr bedacht präzise:

aber ich denke dennoch darueber nach, wie man den Kommunikationsterror einschraenken kann. Es ist nicht die Geschwindigkeit, sondern die pure Menge der Kommunikation. Ich fuehle mich manchmal wie jemand, der auf einem Marktplatz auf einer Kiste steht und fuer jeden ansprechbar ist: Es kommen Leute vorbei, die nur nett mit einem reden wollen, Maskierte, die einem ins Gesicht schlagen und einfach wieder verschwinden, fahrende Haendler, die etwas verkaufen wollen und sich nicht abwimmeln lassen und zwischendurch springen lustige Comicfiguren und nackte Frauen durch diese Masse und bruellen irgendetwas. Man muss sich also zu selektiver Wahrnehmung und Ansprechbarkeit zwingen, um noch genug Zeit und Luft zu haben, um ueber das, was man tut, nachdenken zu koennen. [Quelle]

In der Welt des “Gegen” wird es nämlich in der Tat schwer, aus dem Rauschen zu filtern, was anders wäre.

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6 Kommentare

  1. In dem so verstandenen
    In dem so verstandenen Gedanken der „Gegenöffentlichkeit“ schwingt wohl die alte Sehnsucht mit, dass Menschen nur genug Informationen bräuchten um anders zu handeln. Das hat mich nächtelang in Kellern an Flugblatt-Druckmaschinen stehen lassen …

  2. Ja, aber stimmt das? Stimmte
    Ja, aber stimmt das? Stimmte das jemals? Vielleicht in der Einzelsituation dann schon. Aber was ist eine Information?

    Meines Erachtens ist die Information mit der höchsten Dichte, diejenige, die Kunst ist. Ein Gedicht zum Beispiel. Ein Drama vielleicht (wie bei Büchner).

    Ich muss noch einmal auf Luhmann kommen. Ich lese das ja zum ersten Mal:

    “Gegen Komplexität kann man nicht protestieren. Um protestieren zu können, muß man deshalb die Verhältnisse plattschlagen. Dazu dienen die Schemata und vor allem die Skripts, die sich in der öffentlichen Meinung mit Hilfe der Massenmedien durchsetzen lassen.”
    (Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Ffm 1998, S. 861).

    Und ich empfinde es dann schon so, dass diese Versimpelungen sich gegenseitig auslöschen. Eigentlich könnte hier dann wieder Habermas einhaken, der doch denkt, dass sich das bessere Argument wider die anderen durchsetzen müsse, weil es einfach das bessere (für jeden potentiell und faktisch einsehbar) ist.

    Wir (ich) wissen es anders. Aber auch die Künste wissen es anders, wenn sie gut sind.

  3. Diese pathethischen
    Diese pathethischen Begrifflichkeiten von Gegenmüffeligkeit dienen doch nur dazu Hoffnung und Würde in diesem thermodynamischen Aufmerksamkeitszirkus aufrecht zu erhalten. Der wahre Feind des besseren Arguments ist nicht die Uniformiertheit sondern Macht. Auch dazu siehe Luhmann…

  4. Jaja, neinnein. Darf ich
    Jaja, neinnein. Darf ich trotzdem einmal aus meiner Jugend was erzählen. Es bestätigt deine Beobachtung. Als Schüler/Kind habe ich nicht begreifen können, warum es Parteien gibt. Für die Richtigkeit einer politischen Entscheidung konnte doch nicht die Parteilichkeit der Grund sein, sondern allein das Argument.

    Bis heute habe ich daher das Gefühl, dass es in der Politik nicht um richtige (oder bessere) Entscheidungen geht, sondern um die Durchsetzung von Entscheidungen, unabhängig von ihrer Sinnhaftigkeit. Also Entscheidungspolitik auf dem Wege des Entscheidens. Schmitt?

  5. Ja der Luhmann … für den
    Ja der Luhmann … für den ist Information „ein Ereignis (…) das Systemzustände auswählt“ [Soziale Systeme, 102] und wird damit dem Phänomen nicht immer gerecht, dass manchmal Information dazu führen kann, das Soziale System zu verändern und nicht nur zu konstituieren. „Nebenwiderspruch“ hat er das mal launig in einer öffentlichen Diskussion in Bielefeld genannt und ich musste arg laut lachen.

  6. Nebenwiderspruch 🙂
    Nebenwiderspruch 🙂 Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Aber vor allem aus einer anderen Sphäre. Physik? Diskussionen mit alten MSBlern in den 80er Jahren.

    Auf jeden Fall werde ich das in mein Begriffsrepertoire aufnehmen. Das kann nur nützlich sein.

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