Konzert des Keller-Quartetts mit Werken von Kurtág, Bartók und Beethoven. Aus der Südkurve, berichtet von unserem Korrespondenten Huflaikhan.
Das Streichquartett ist diejenige musikalische Gattung, die mir eindeutig die größten Respekt abverlangt. In der Südkurve des Saales sitzend, war ich zudem dicht dran — sehr dicht. Man muss es noch einmal ausdrücklich erwähnen. Ein Musikinstrument zu spielen, es zu beherrschen, ist schon außergewöhnlich genug. Das auch noch im offenen Zusammenspiel zu tun, da wo man sich nicht im Orchester vergraben kann, da wird es heikel. Es muss ja zusammenstimmen. Nicht nur nur Intonation im Zusammenspiel ist Problem genug. Auch aller Klangeindruck, die Balance in sich, die Erinnerung an alle Feinheiten, die so große Werke der Musik auf sich vereinen. Gelingt dies nicht, kommt nur Murks heraus.
Beim Keller-Quartett hat dies also alles zusammengewirkt und funktioniert. Kurtág, der Komponist der extremen Reduktion, bei dem sozusagen die feinsten Haarrisse in der Musik nach außen treten, hatte vier Stücke beigesteuert. In der Ferne III und V, die Six moments musicaux und eine Hommage á Jacob Obrecht. Werke, die sich wirklich nur in ihrer Differenziertheit unter Live-Bedingungen des Hörens annähernd erfassen lassen. Musik wie kahl, nackt, verletzlich und mit einem Schuss Humor (nr. 3 aus den moment musicaux). Eine wieder und wieder auch schwebende Musik, die haltlos wirkt. Und doch sind viele Abschnitte geradezu durchdringend emotional aufgeladen.
Und darin sind Passagen nicht unähnlich den Terz-Passagen aus dem letzten Satz von Bartóks zweitem Quartett. Das hat mittlerweile auch schon 90 Jahre auf dem Buckel. Der erste Satz, der geradezu saftreich aus dem vollen Fundus des Quartettklanges sich fügt. Im ersten Weltkrieg entstanden. So energiereich und auch so deprimiert-traurig. Die klanglichen Apotheosen sind nie welche des Feuerwerks sondern permanent gebrochen. Geradezu wie Sonnenstrahlen, die gelegentlich durch die Verdunkelung von Wolken, sich Bahn brechen, kommen da nur selten Passagen durch, die umso unvermittelter einen mitreißen. Extremismus des melodisch-harmonischen Fortgang, die einen schaudern lässt. Das Ende des zweiten Satzes: Wie ein musikalisches Spukhaus: Gardinen, verweht. Huschelig, verdeckt.
Schließlich Beethoven, eines der späten Quartette, a-Moll op. 132. Rückwirkend vereinigend das, was später nachkam. Wie eine Quintessenz aus Bartók und Kurtág spielt sich der erste Satz ab. Aber doch im Tonfall eines ganz anderen Jahrhunderts, einer anderen Zeit. Keine Scheu, Musik zuzulassen, wenn sie sich frei bewegen kann. Das ganze Stück selbst sehr schubertartig. Die Behandlung der Nebenstimmen im letzten Satz als ein sich komplementär auffaltendes Bett. Der Mittelsatz „Heiliger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit, in der lydischen Tonart“ wurde vom Keller-Quartett recht forsch angegangen. Man muss es wirklich nicht so wehleidig und langsam spielen, wie es vielfach getan wird. Es ist ja ein Dankgesang und keine Trauermusik.
Der Blick aus der Südkurve war grandios, wenn nur das Geländer nicht gewesen wäre. Es ist doch immer wieder mal was Schönes, richtig in ein Konzert gehen zu können.
Konzert des Keller-Quartetts mit Werken von Kurtág, Bartók und Beethoven. Aus der Südkurve, berichtet von unserem Korrespondenten Huflaikhan.
Das Streichquartett ist diejenige musikalische Gattung, die mir eindeutig die größten Respekt abverlangt. In der Südkurve des Saales sitzend, war ich zudem dicht dran — sehr dicht. Man muss es noch einmal ausdrücklich erwähnen. Ein Musikinstrument zu spielen, es zu beherrschen, ist schon außergewöhnlich genug. Das auch noch im offenen Zusammenspiel zu tun, da wo man sich nicht im Orchester vergraben kann, da wird es heikel. Es muss ja zusammenstimmen. Nicht nur nur Intonation im Zusammenspiel ist Problem genug. Auch aller Klangeindruck, die Balance in sich, die Erinnerung an alle Feinheiten, die so große Werke der Musik auf sich vereinen. Gelingt dies nicht, kommt nur Murks heraus.
Beim Keller-Quartett hat dies also alles zusammengewirkt und funktioniert. Kurtág, der Komponist der extremen Reduktion, bei dem sozusagen die feinsten Haarrisse in der Musik nach außen treten, hatte vier Stücke beigesteuert. In der Ferne III und V, die Six moments musicaux und eine Hommage á Jacob Obrecht. Werke, die sich wirklich nur in ihrer Differenziertheit unter Live-Bedingungen des Hörens annähernd erfassen lassen. Musik wie kahl, nackt, verletzlich und mit einem Schuss Humor (nr. 3 aus den moment musicaux). Eine wieder und wieder auch schwebende Musik, die haltlos wirkt. Und doch sind viele Abschnitte geradezu durchdringend emotional aufgeladen.
Und darin sind Passagen nicht unähnlich den Terz-Passagen aus dem letzten Satz von Bartóks zweitem Quartett. Das hat mittlerweile auch schon 90 Jahre auf dem Buckel. Der erste Satz, der geradezu saftreich aus dem vollen Fundus des Quartettklanges sich fügt. Im ersten Weltkrieg entstanden. So energiereich und auch so deprimiert-traurig. Die klanglichen Apotheosen sind nie welche des Feuerwerks sondern permanent gebrochen. Geradezu wie Sonnenstrahlen, die gelegentlich durch die Verdunkelung von Wolken, sich Bahn brechen, kommen da nur selten Passagen durch, die umso unvermittelter einen mitreißen. Extremismus des melodisch-harmonischen Fortgang, die einen schaudern lässt. Das Ende des zweiten Satzes: Wie ein musikalisches Spukhaus: Gardinen, verweht. Huschelig, verdeckt.
Schließlich Beethoven, eines der späten Quartette, a-Moll op. 132. Rückwirkend vereinigend das, was später nachkam. Wie eine Quintessenz aus Bartók und Kurtág spielt sich der erste Satz ab. Aber doch im Tonfall eines ganz anderen Jahrhunderts, einer anderen Zeit. Keine Scheu, Musik zuzulassen, wenn sie sich frei bewegen kann. Das ganze Stück selbst sehr schubertartig. Die Behandlung der Nebenstimmen im letzten Satz als ein sich komplementär auffaltendes Bett. Der Mittelsatz „Heiliger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit, in der lydischen Tonart“ wurde vom Keller-Quartett recht forsch angegangen. Man muss es wirklich nicht so wehleidig und langsam spielen, wie es vielfach getan wird. Es ist ja ein Dankgesang und keine Trauermusik.
Der Blick aus der Südkurve war grandios, wenn nur das Geländer nicht gewesen wäre. Es ist doch immer wieder mal was Schönes, richtig in ein Konzert gehen zu können.
Sehr schön beschrieben. Ich
Sehr schön beschrieben. Ich wünschte manchmal, ich könnte genauso hören.
Übenübenüben. Und das bei
Übenübenüben. Und das bei meinem kaputten linken Ohr!
Hören kann ich ja, sogar
Hören kann ich ja, sogar ganz gut (glernt isch halt glernt). Mein Hören findet allerdings mehr in zynischen Sphären statt. Zu lange selbst Musiker gewesen, Sie verstehen?
Wenn ich sie jetzt nicht
Wenn ich sie jetzt nicht mißverstanden habe, dann ging mir das lange Zeit genau so. Ich habe auf jede auch nur ansatzweise zu tiefe Intonation geradezu gelauert, jede rhythmische Ungenauigkeit mit einem Verziehen des Gesichts quittiert.
Käse ist das.
Denn mit dem Hören, zumal mit dem musikalischen, ist es ähnlich wie im richtigen Leben:
Lenke ich meinen Fokus auf die kleinen Unzulänglichkeiten meiner Mitmenschen, dann entgeht mir viel Wichtigeres.
Deshalb ist es auch so schön, älter zu werden. Zum einen wird man milder, zum anderen hört man nicht mehr so gut.
😉
Und im Übrigen:
Das Keller-Quartett war phantastisch an diesem Abend – da gibtet sowieso und ohnehin nüscht zu zyneln!
War ein schönes Konzert!
War ein schönes Konzert! Aber Deine Kritik hat mir noch besser gefallen.
Matthias Röder
Jetzt nichts
Jetzt nichts durcheinanderbringen. Gegen das Konzert ist mein Geschreibsel hier Pfusch.
Mir hat das Kuss Quartett
Mir hat das Kuss Quartett ein paar Tage später noch besser gefallen. Hast Du das auch gehört?
Nein, hab ich leider nicht.
Nein, hab ich leider nicht. Mein Finanz- und Zeitbudget ist begrenzt. Ich hätte auch heute gerne die Chöre gehört und das Projekt mit den Schülern zu Jonathan Harvey.
Weißt, es ist so, dass ich so selten noch ins Konzert komme, dass ich immer wieder neu überrascht bin, wie gut das ist (selbst wenn es nicht mal so gut wäre).