21. April 2025 Alles muss raus!

These 9

Sprachkompetenz: Voraussetzung für Dialog
Der Kompetenzerwerb zur Beherrschung der deutschen Sprache in allen Ausbildungsstufen ist auch und gerade in der Musik Voraussetzung für Verstehen und Verständigung. [via nmz]

Seit gestern sind sie raus. Die 12 „Thesen“ des Deutschen Musikrats zum Thema „Interkultureller Dialog“. Die „These 9“ ist quasi zentral. Denn sie ist — so wenig These wie nötig — selbstzerredend. Ein „Kompetenzerwerb zur Beherrschung der deutschen Sprache“ sei „Voraussetzung“ — „auch und gerade“ — für „Verstehen und Verständigung“ in der Musik. Das bitte erkläre mir mal jemand, was damit gemeint sein soll. Ich versteh es einfach nicht, da habe ich wohl zuwenig Kompetenzerwerbbeherrschung erworben.

Es geht weiter in den einleitenden Worten: „Musik ist in ihren vielfältigen Ausdrucksformen als barrierefreies Medium kultureller Identitätsfindung“ in besonderer Weise für den interkulturellen Dialog prädestiniert. Barrierefrei, aha. Wäre da nur die Sprache nicht, nicht wahr. Wie auch immer. Der Deutsche Musikrat weiß sich Rat:

Der Deutsche Musikrat wird eine Task Force einsetzen, die seine musikpolitische Arbeit und seine Projekte im Hinblick auf einen interkulturellen Kompetenzzuwachs evaluieren wird.

Den interkulturellen Kompetenzzuwachs will man per Task Force evaluieren. Da wird man wohl warten müssen, wie man das und wer das evaluieren wird.

Das Papier ist zu beneiden um die Geduld, mit der es solche Thesen erträgt. Kein Wort zur kulturellen Identität selbst, kein Wort zum Schema der Massenkulturen, kein Wort zur Frage des Identitätszwanges. Alles in allem, ein abgehobenes Gerede und Geschreibe aus dem Blickwinkel der heilen und hohen Kultur. Nur das pastorale Motto: „Wer das Eigene nicht kennt, kann das Andere nicht erkennen“ bleibt übrig als Kerngedanke, den man allererst einmal hätte aufdröseln müssen. Was denn wäre überhaupt das Eigene? Wäre das hier der Begriff der Leitkultur. Wie sehr besitzt man überhaupt das Eigene und in welches Verhältnis stellt man sich zu ihm. Ist nicht sogar das Eigene nicht notwendigerweise immer „auch und gerade“ das Andere?

Wo ist die Freiheit der Selbstbestimmung, wo bleibt die Autonomie der Einzelnen, wenn es sie überhaupt noch gibt oder sie sich herstellen ließe. Überhaupt sind all die vorgängigen Begriffe sämtlich abhanden gekommen.

Frei sind die Subjekte, nach Kantischem Modell, soweit, wie sie ihrer selbst bewußt sind, mit sich identisch sind; und in solcher Identität auch wieder unfrei, soweit sie deren Zwang unterstehen und ihn perpetuieren. Unfrei sind sie als nichtidentische, als diffuse Natur, und doch als solche frei, weil sie in den Regungen, die sie überwältigen -– nichts anderes ist die Nichtidentität des Subjektes mit sich –, auch des Zwangscharakters der Identität ledig werden.

Das hat Adorno in den 60er-Jahren so formuliert, ungleich mehr These, ungleich mehr widersprüchlich, ungleich rauschender. Aber davon, von dem Hintergrund kultureller (von mir aus auch interkultureller) Dimensionen, ist hier nichts mehr zu spüren. Nicht die Spur. Die ganzen Thesen des Appells wirken seltsam, eben auch sprachlich, entleert; geradezu wie Hülsen eine kleinsten gemeinsamen Nenners. Und wo es knacken könnte, ruft man die Polizei, tschuldigung, die Task Force. In der politischen Sprache würde man eigentlich ergänzen: Näheres regelt ein Bonner Appell.

Wie auch immer. Selber lesen und sich schlau machen. Im KIZ kann man noch lesen: „Wir freuen uns, dass Bundespräsident Horst Köhler den 2. Berliner Appell entgegen genommen und damit ein Zeichen für eine breite gesellschaftliche Wahrnehmung gesetzt hat.“ Karl Kraus hätte daran sein Vergnügen haben können. Ein Entgegennehmen als „Zeichensetzung für eine breite gesellschaftliche Wahrnehmung“. Da ist der Wunsch so sehr Vater des Gedanken, dass er quasi ödipal sich seiner bemächtigt. Nichts für ungut.

Sprachkompetenz: Voraussetzung für Dialog
Der Kompetenzerwerb zur Beherrschung der deutschen Sprache in allen Ausbildungsstufen ist auch und gerade in der Musik Voraussetzung für Verstehen und Verständigung. [via nmz]

Seit gestern sind sie raus. Die 12 „Thesen“ des Deutschen Musikrats zum Thema „Interkultureller Dialog“. Die „These 9“ ist quasi zentral. Denn sie ist — so wenig These wie nötig — selbstzerredend. Ein „Kompetenzerwerb zur Beherrschung der deutschen Sprache“ sei „Voraussetzung“ — „auch und gerade“ — für „Verstehen und Verständigung“ in der Musik. Das bitte erkläre mir mal jemand, was damit gemeint sein soll. Ich versteh es einfach nicht, da habe ich wohl zuwenig Kompetenzerwerbbeherrschung erworben.

Es geht weiter in den einleitenden Worten: „Musik ist in ihren vielfältigen Ausdrucksformen als barrierefreies Medium kultureller Identitätsfindung“ in besonderer Weise für den interkulturellen Dialog prädestiniert. Barrierefrei, aha. Wäre da nur die Sprache nicht, nicht wahr. Wie auch immer. Der Deutsche Musikrat weiß sich Rat:

Der Deutsche Musikrat wird eine Task Force einsetzen, die seine musikpolitische Arbeit und seine Projekte im Hinblick auf einen interkulturellen Kompetenzzuwachs evaluieren wird.

Den interkulturellen Kompetenzzuwachs will man per Task Force evaluieren. Da wird man wohl warten müssen, wie man das und wer das evaluieren wird.

Das Papier ist zu beneiden um die Geduld, mit der es solche Thesen erträgt. Kein Wort zur kulturellen Identität selbst, kein Wort zum Schema der Massenkulturen, kein Wort zur Frage des Identitätszwanges. Alles in allem, ein abgehobenes Gerede und Geschreibe aus dem Blickwinkel der heilen und hohen Kultur. Nur das pastorale Motto: „Wer das Eigene nicht kennt, kann das Andere nicht erkennen“ bleibt übrig als Kerngedanke, den man allererst einmal hätte aufdröseln müssen. Was denn wäre überhaupt das Eigene? Wäre das hier der Begriff der Leitkultur. Wie sehr besitzt man überhaupt das Eigene und in welches Verhältnis stellt man sich zu ihm. Ist nicht sogar das Eigene nicht notwendigerweise immer „auch und gerade“ das Andere?

Wo ist die Freiheit der Selbstbestimmung, wo bleibt die Autonomie der Einzelnen, wenn es sie überhaupt noch gibt oder sie sich herstellen ließe. Überhaupt sind all die vorgängigen Begriffe sämtlich abhanden gekommen.

Frei sind die Subjekte, nach Kantischem Modell, soweit, wie sie ihrer selbst bewußt sind, mit sich identisch sind; und in solcher Identität auch wieder unfrei, soweit sie deren Zwang unterstehen und ihn perpetuieren. Unfrei sind sie als nichtidentische, als diffuse Natur, und doch als solche frei, weil sie in den Regungen, die sie überwältigen -– nichts anderes ist die Nichtidentität des Subjektes mit sich –, auch des Zwangscharakters der Identität ledig werden.

Das hat Adorno in den 60er-Jahren so formuliert, ungleich mehr These, ungleich mehr widersprüchlich, ungleich rauschender. Aber davon, von dem Hintergrund kultureller (von mir aus auch interkultureller) Dimensionen, ist hier nichts mehr zu spüren. Nicht die Spur. Die ganzen Thesen des Appells wirken seltsam, eben auch sprachlich, entleert; geradezu wie Hülsen eine kleinsten gemeinsamen Nenners. Und wo es knacken könnte, ruft man die Polizei, tschuldigung, die Task Force. In der politischen Sprache würde man eigentlich ergänzen: Näheres regelt ein Bonner Appell.

Wie auch immer. Selber lesen und sich schlau machen. Im KIZ kann man noch lesen: „Wir freuen uns, dass Bundespräsident Horst Köhler den 2. Berliner Appell entgegen genommen und damit ein Zeichen für eine breite gesellschaftliche Wahrnehmung gesetzt hat.“ Karl Kraus hätte daran sein Vergnügen haben können. Ein Entgegennehmen als „Zeichensetzung für eine breite gesellschaftliche Wahrnehmung“. Da ist der Wunsch so sehr Vater des Gedanken, dass er quasi ödipal sich seiner bemächtigt. Nichts für ungut.

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4 Kommentare

  1. Wozu die gut sein sollen? Um

    Wozu die gut sein sollen? Um das „Gute“ im Menschen zu wecken 🙂

    Ich neige ja, darin bin ich mit dem Musikrat sehr einig, auch zu Schwurbel. Manchmal habe ich weder Lust noch Zeit mich kurz zu fassen oder einen Satz kopliziertester Natur, deren Nebensatzschlingen mich stolpern machen, zu entwirren – vor allem dann schon gleich gar nicht, wenn man es von mir verlagte -; aber das Problem, Frau Klugscheisser, Du, ist, das eine Tiefe und Breite vorgetäuscht wird, die den Sentenzen keinesfalls entnehmbar ist.

    Momentan lese ich Reden aus den 50er und 60er Jahren. Arendt, Mitscherlich, Amery (billig bei 2001). Und da ist ein Niveau des Bewusstseins, welches heute einfach niemand hinter dem Ofen vorlockt. Im Gegenteil. Nachdenkliche Kritik, auch polemische wird wenig gewünscht, noch weniger gebraucht. Alles ist und lebt im common sense der Oberflächentiefe.

    Ich muss das bei Gelegenheit mal explizieren.

    Von Seiten einer Seite des Musikrats wird meine Kritik auch nur als „Form der Selbstdarstellung“ gesehen. So what.

  2. Ich bin durchaus auf

    Ich bin durchaus auf Ihrer/Deiner (?) Denkseite. Trotzdem meine ich, ist die Aufgabe dieses Musikrates nicht, in der Theorie herumzuschwurbeln. Geht es nicht ganz simpel um etwas sehr praktisches, nämlich um das Musizieren an sich? Vielleicht bin ich auch zu einfach gestrickt (so als ehemaliger Ausführender). Adorno war für mich immer gute Unterhaltung, die die Praxis des Musizierens nicht ersetzen konnte.

  3. Naja. Also, erstmal kann

    Naja. Also, erstmal kann sich der Musikrat zur Aufgabe machen, was er will. Angeblich spricht er für rund 8 Millionen Musizierende, die irgendwie organisiert sind. Also nicht für Semmel oder mich.

    Und ja, es geht ihm um das Musizieren an sich. Das kann man auch endlos nachlesen. Das ist am Ende die einzige andauernde „These“, die der Deutsche Musikrat vertritt. Aber auch nicht um „Musizieren an sich“ sondern um Musik machen mit einem gewissen Niveau, welches man am liebsten qualitätsgesichert sähe.

    Aber genau weiß das alles nur der Deutsche Musikrat, von dem gelegentlich hier auch einer oder ein anderer mitliest. Vielleicht sagen die Herrschaften selbst mal was dazu.

    „Adorno war gute Unterhaltung“. Der ist wirklich klasse.

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