26. Dezember 2024 Alles muss raus!

Mein Ausflug

Liebes Internettagebuch,

seit zwei einem Tagen bin ich in einer Blockflöten-Community unterwegs. Das ist gar nicht so einfach, wie man denkt, denn obwohl die Blockflöte ja nur eine bestimmte Anzahl an Löchern hat, hat diese Community ganz viele: Löcher, in die man fallen kann; Löcher, in die man hineingestoßen wird; Löcher, die Menschen sind.

Solche Communities sind ausgestattet mit ganz einzigartigen psychodynamischen Vorgängen. Es gibt Obermacker, es gibt Untermacker, es gibt Korinthenkackerscheißer, es gibt Mitläufer, es gibt Zuproster, es gibt Schiedsrichter und Schwalben, es gibt Populisten, es gibt Störer und Quengler und es gibt Gäste, die das alles auch sein können. Das ist in so einer Community genauso wie in einer anderen Community. Nur hat diese was mit Musik zu tun.

Wir wissen aus allerlei Untersuchungen, dass manche Instrumente sich ihre Menschen aussuchen und nur selten Menschen sich ihre Instrumente. Es gibt da ein psychosoziales Abhängigkeitsverhältnis. Nach neuesten Ergebnissen der Hirnforschung, Herr Professor Dahmen hat davon einmal erzählt, ja, der Dahmen aus Mannheim, gibt es für jeden Menschen genau ein richtiges Musikinstrument. Ein Gang in die Community hat nun diese neurologischen Untersuchungen prima vista bestätigt. Die Blockflöte findet ihre Nutzer, es ist nicht umgekehrt.

Was will ich damit sagen.

Erstens, wo Menschen zu Massen sich zusammenfinden und es geht um eine Sache nur, neigen Menschen dazu sich gegenseitig zu bestätigen und wie in einem Körper, Fremdprodukte möglichst Hinauszukomplimentieren. Manchmal findet man aber doch eine Andockstation, die gerne auch mal fremde Gene an sich austesten mag.

Zweitens, das ist sozusagen die psychoanalytische Komponente, besteht ein Angstübertragungshemmnis. Eine wesensnotwendige Funktion von Abwehr. Das ist fast überall so, da, wo neue Ideen gefordert wären. Das ist in der Bundestagscommunity nicht anders als in so einer Musiker-Community. Adorno hat das mal in einer Theorie vom sozialen Konflikt nachgezeichnet:

Äußert der Schuhe probierende Kunde, dieser Schuh sei ihm zu weit, so empfindet das Ladenmädchen das bereits als Affront und antwortet gereizt: »Da muß ich Ihnen recht geben.« So völlig ist sie mit dem Vertrieb der Standardprodukte identifiziert, daß sie im Individuum, dessen Bedürfnisse vom Standard abweichen, a priori den Gegner wittert. (…)
Wer gegen kodifizierte Verbote und fachmännische Anweisungen aufmuckt oder auch nur durch sein Verhalten deren Sinn in Frage stellt, fordert erst recht die Schikane heraus; nicht nur die der Ordnungshüter, sondern auch die jener, die mit diesen und der Ordnung übertrieben sich identifizieren.
[Band 8: Soziologische Schriften I: Anmerkungen zum sozialen Konflikt heute. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5059. (vgl. GS 8, S. 191-192) http://www.digitale-bibliothek.de/band97.htm ]

Als ich neulich das Vergnügen hatte, auf einer Zugfahrt das Gespräch eines Europaparlamentsabgeordneten mitzuverfolgen, da war das auch so. Auf der einen Seite, eine ungeheure Klugheit bis hin zur Selbstaufgabe, auf der anderen Seite denkste, da sitzt einer vom Mond. Fast irrational Willkür in den Argumenten wechseln mit recht nachdenklich klugen Gedanken.

Im kollektiven Grinsen über einen Alten, der in die automatischen Türen der Straßenbahn eingeklemmt ist, im abschließenden Kommentar: »Der hot Angst um sei’ Rüb’!« wird Brutalität gesellschaftlich ritualisiert. Die Rationalisierung dafür ist die fiktive Notwendigkeit reibungslosen Funktionierens, eine gesunde Menschenvernunft, die auf die Menschen keine Rücksicht nehmen kann; schon daß sie noch da sind, wirkt potentiell wie Sand im Getriebe. Als soziales Phänomen stellt, nach diesem Schema, Lachen sich ein, wo das Besondere gleichsam seiner logischen Form nach als Störenfried des Allgemeinen verurteilt wird.
[Band 8: Soziologische Schriften I: Anmerkungen zum sozialen Konflikt heute. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5061, (vgl. GS 8, S. 192) http://www.digitale-bibliothek.de/band97.htm ]

Den Rest regeln Smilies. Sie sind im übrigen der Garant dafür, dass nie etwas so gemeint ist, wie es gemeint ist. Im Zeifel ist immer alles anders gemeint. Im Zweifel stimmt eben dies und genau das macht dieses denken latent unauthentisch. Denn wenn man sich an nichts mehr halten kann, wird alles zur bloßen Spielerei.

War übrigens nicht so gemeint, jetzt, also, das mit den Blockflöten, damit meine ich keine wirkliche existierende Blockflöten-Community sondern die fiktive, abstrakte, nächtlich-im-Traum-erscheinde. 😉

PS.: Es gibt keine Community ohne Ausnahmen. Je häufiger die Ausnahmen, desto besser. Ein, zwei, drei … und es werden täglich mehr, jaja!

Update:
PPS.: Ach, die Talibane habe ich oben vergessen zu erwähnen. Die Schützer des Allerheiligsten. Immer wieder ist es doch erstaunlich, wie sie so dominant werden können, dass selbst vermutlich vernünftige Menschen zu Claqueren werden. Kein Taliban ohne jene, die sie auch noch ernähren.

Aber es erklärt doch vieles, was in der Vergangenheit sich zugetragen hat. Es ist ja nur ein kleiner Musikergarten dort — ich meine rein hypothetisch gesehen. All das gibt es natürlich, ich muss es betonen, nicht wirklich; jedenfalls doch nicht in der aufgeklärten Welt. Könnte man jedenfalls denken, vielleicht.

Thema wird mangels Masse eingestellt. Und zurücküberstellt an Absender.

Liebes Internettagebuch,

seit zwei einem Tagen bin ich in einer Blockflöten-Community unterwegs. Das ist gar nicht so einfach, wie man denkt, denn obwohl die Blockflöte ja nur eine bestimmte Anzahl an Löchern hat, hat diese Community ganz viele: Löcher, in die man fallen kann; Löcher, in die man hineingestoßen wird; Löcher, die Menschen sind.

Solche Communities sind ausgestattet mit ganz einzigartigen psychodynamischen Vorgängen. Es gibt Obermacker, es gibt Untermacker, es gibt Korinthenkackerscheißer, es gibt Mitläufer, es gibt Zuproster, es gibt Schiedsrichter und Schwalben, es gibt Populisten, es gibt Störer und Quengler und es gibt Gäste, die das alles auch sein können. Das ist in so einer Community genauso wie in einer anderen Community. Nur hat diese was mit Musik zu tun.

Wir wissen aus allerlei Untersuchungen, dass manche Instrumente sich ihre Menschen aussuchen und nur selten Menschen sich ihre Instrumente. Es gibt da ein psychosoziales Abhängigkeitsverhältnis. Nach neuesten Ergebnissen der Hirnforschung, Herr Professor Dahmen hat davon einmal erzählt, ja, der Dahmen aus Mannheim, gibt es für jeden Menschen genau ein richtiges Musikinstrument. Ein Gang in die Community hat nun diese neurologischen Untersuchungen prima vista bestätigt. Die Blockflöte findet ihre Nutzer, es ist nicht umgekehrt.

Was will ich damit sagen.

Erstens, wo Menschen zu Massen sich zusammenfinden und es geht um eine Sache nur, neigen Menschen dazu sich gegenseitig zu bestätigen und wie in einem Körper, Fremdprodukte möglichst Hinauszukomplimentieren. Manchmal findet man aber doch eine Andockstation, die gerne auch mal fremde Gene an sich austesten mag.

Zweitens, das ist sozusagen die psychoanalytische Komponente, besteht ein Angstübertragungshemmnis. Eine wesensnotwendige Funktion von Abwehr. Das ist fast überall so, da, wo neue Ideen gefordert wären. Das ist in der Bundestagscommunity nicht anders als in so einer Musiker-Community. Adorno hat das mal in einer Theorie vom sozialen Konflikt nachgezeichnet:

Äußert der Schuhe probierende Kunde, dieser Schuh sei ihm zu weit, so empfindet das Ladenmädchen das bereits als Affront und antwortet gereizt: »Da muß ich Ihnen recht geben.« So völlig ist sie mit dem Vertrieb der Standardprodukte identifiziert, daß sie im Individuum, dessen Bedürfnisse vom Standard abweichen, a priori den Gegner wittert. (…)
Wer gegen kodifizierte Verbote und fachmännische Anweisungen aufmuckt oder auch nur durch sein Verhalten deren Sinn in Frage stellt, fordert erst recht die Schikane heraus; nicht nur die der Ordnungshüter, sondern auch die jener, die mit diesen und der Ordnung übertrieben sich identifizieren.
[Band 8: Soziologische Schriften I: Anmerkungen zum sozialen Konflikt heute. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5059. (vgl. GS 8, S. 191-192) http://www.digitale-bibliothek.de/band97.htm ]

Als ich neulich das Vergnügen hatte, auf einer Zugfahrt das Gespräch eines Europaparlamentsabgeordneten mitzuverfolgen, da war das auch so. Auf der einen Seite, eine ungeheure Klugheit bis hin zur Selbstaufgabe, auf der anderen Seite denkste, da sitzt einer vom Mond. Fast irrational Willkür in den Argumenten wechseln mit recht nachdenklich klugen Gedanken.

Im kollektiven Grinsen über einen Alten, der in die automatischen Türen der Straßenbahn eingeklemmt ist, im abschließenden Kommentar: »Der hot Angst um sei’ Rüb’!« wird Brutalität gesellschaftlich ritualisiert. Die Rationalisierung dafür ist die fiktive Notwendigkeit reibungslosen Funktionierens, eine gesunde Menschenvernunft, die auf die Menschen keine Rücksicht nehmen kann; schon daß sie noch da sind, wirkt potentiell wie Sand im Getriebe. Als soziales Phänomen stellt, nach diesem Schema, Lachen sich ein, wo das Besondere gleichsam seiner logischen Form nach als Störenfried des Allgemeinen verurteilt wird.
[Band 8: Soziologische Schriften I: Anmerkungen zum sozialen Konflikt heute. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5061, (vgl. GS 8, S. 192) http://www.digitale-bibliothek.de/band97.htm ]

Den Rest regeln Smilies. Sie sind im übrigen der Garant dafür, dass nie etwas so gemeint ist, wie es gemeint ist. Im Zeifel ist immer alles anders gemeint. Im Zweifel stimmt eben dies und genau das macht dieses denken latent unauthentisch. Denn wenn man sich an nichts mehr halten kann, wird alles zur bloßen Spielerei.

War übrigens nicht so gemeint, jetzt, also, das mit den Blockflöten, damit meine ich keine wirkliche existierende Blockflöten-Community sondern die fiktive, abstrakte, nächtlich-im-Traum-erscheinde. 😉

PS.: Es gibt keine Community ohne Ausnahmen. Je häufiger die Ausnahmen, desto besser. Ein, zwei, drei … und es werden täglich mehr, jaja!

Update:
PPS.: Ach, die Talibane habe ich oben vergessen zu erwähnen. Die Schützer des Allerheiligsten. Immer wieder ist es doch erstaunlich, wie sie so dominant werden können, dass selbst vermutlich vernünftige Menschen zu Claqueren werden. Kein Taliban ohne jene, die sie auch noch ernähren.

Aber es erklärt doch vieles, was in der Vergangenheit sich zugetragen hat. Es ist ja nur ein kleiner Musikergarten dort — ich meine rein hypothetisch gesehen. All das gibt es natürlich, ich muss es betonen, nicht wirklich; jedenfalls doch nicht in der aufgeklärten Welt. Könnte man jedenfalls denken, vielleicht.

Thema wird mangels Masse eingestellt. Und zurücküberstellt an Absender.

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Ein Kommentar

  1. internettagebuch
    tja,

    das ist ja das gefährliche des geschriebenen wortes. man liest und sieht nicht welchen horizont und wissen der hat, der geschrieben hat.
    es gibt nun mal viele, denen nicht zugehört wird, weswegen sie schreiben, damit es etwas “ewiges” hat.
    Gott hat schon einen grossen tiergarten geschaffen.

    ralph

Kommentare sind geschlossen.