Seit kurzem gibt es einen neuen Referentenentwurf zum Urheberrecht. Zweiter Korb oder dritter Korb: egal. Darin ist eine Bagatellklausel enthalten, die vorsieht, dass unauthorisierte Kopien in kleinerem Umfang, nicht strafrechtlich verfolgt werden sollen, die sogenannte Bagatellklausel. Dagegen wendet sich der Deutsche Kulturrat unter der reißerischen Überschrift: „Justizministerin will Kleinkriminalität legalisieren“. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte:
„Die von der Bundesregierung geplante Reform des Urheberrechtes enthält deutliche Verschlechterungen für die Künstlerinnen und Künstler. Offensichtlich liegen der Bundesjustizministerin die Computerindustrie und die Raubkopierer mehr am Herzen als die Künstler. Nur so ist zu erklären, warum der Computerindustrie unverhältnismäßige finanzielle Geschenke zu Lasten der Künstler gemacht werden sollen und die Kleinkriminalität bei Urheberrechtsverletzungen legalisiert werden soll.“ [Quelle]
Der Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen (VUT) als theoretisch maßgeblich betroffener Verband sieht das anders. In deren Stellungnahme steht:
“Die strafrechtliche Verfolgung von P2P Usern löst das Problem der Piraterie nicht und macht Fans zu Kriminellen.”
Der VUT hat deswegen verstärkt noch einmal auf die alte Idee [siehe Kritische Masse 29.1.2004] des respect-the-music hingewiesen.
Anders als beim Deutsche Kulturrat liest man da:
“Den meisten vom VUT vertretenen Plattenfirmen und Verlagen liegt es fern, Privatpersonen strafrechtlich genauso zu behandeln wie professionelle Raubkopierer. Hier unterstützen die VUT-Mitglieder eine gemässigte Vorgehensweise, wie sie von der Bundesjustizministerin vorgesehen ist.”
Das sieht der Deutsche Kulturrat wirklich anders. Aber ob er damit den Titel Deutscher Kulturrat so noch tragen dürfte. Ich bin mir da keineswegs sicher. Im Namen von Künstlern zu sprechen, die selbst eine andere Sichtweise auf das Problem haben, scheint mir doch wirklich einigermaßen prekär zu sein.
Damit verdeckt der Deutsche Kulturrat zugleich sein anderes Anliegen. Dass nämlich nicht einzusehen sei, dass man der Geräteindustrie unnötig Geschenke zu Lasten der Urheber machen werden. Deren Branchenverband, BITKOM, ist allerdings auch nicht zufrieden, begrüßt aber eindeutig die Richtung. Nur, was BITKOM will: Individuelle Vergütung, wo es geht, damit die Pauschalabgaben auf die Geräte entfallen können:
In dem neuen Referentenentwurf fehlt bei der Nutzung von Online-Inhalten aus BITKOM-Sicht ein klares Bekenntnis dazu, dass die Urheber die im Netz verfügbaren Schutzmaßnahmen und individuellen Vergütungssysteme nutzen sollen, wenn sie eine Vergütung bekommen wollen. „Es kann nicht sein, dass die Urheber das Inkasso ihrer Vergütung weiterhin pauschal auf die Hersteller und Käufer von digitalen Geräten abwälzen, wenn sie selbst in der Lage sind, individuell gegenüber den Nutzern ihrer Inhalte abzurechnen“, sagt Harms. [Quelle]
Also wieder einmal die typische Uneinigkeit vor dem Herrn. VUT will weg vom Digital Rights Management, BITKOM will hin, der Deutsche Kulturrat will am liebsten von allem nur die Rosinen. Bissle davon was, bissle davon was. Und weil die Richtung nicht zwingend vorgegeben ist, am besten alle belasten. Die Künstler werdens danken.
Meines Erachtens setzt nur der VUT richtig an, nämlich auf der Ebene der Wahrnehmung von künstlerischen Leistungen, also im Kopf. Den anderen geht es nur um Ausschüttungen oder Abgaben; nur um Geld. Vielleicht sollten sich die Kulturverbände daher wirklich mal Gedanken machen um ihre Produkte. Dieses Gelabere – wie unlängst auch in einer Stellungnahme des Deutschen Musikrats zur EU-Dienstleistungsrichtlinie ist fadenscheinig. Christian Höppner, Generalsekretär:
“Kulturelle Dienstleistungen und Erzeugnisse müssen aufgrund ihrer doppelten Natur als Wirtschafts- und Kulturgüter besonderen Bedingungen unterliegen. Die nationalen Gestaltungsmöglichkeiten im Kulturbereich dürfen nicht auf lediglich kommerziell gewinnbringende Angebote reduziert werden. Dies wäre zwangsläufig eine Bedrohung für die kulturelle Vielfalt im Musikland Deutschland.” [Quelle]
Damit fängt der Abverkauf von kulturellen Leistungen an. Ich kanns nicht mehr hören.