25. November 2024 Alles muss raus!

Koalitionsquark

Wenn man so einige Tage ohen Fernsehen, Zeitung und Radio verbringt, erspart man sich viel Ärger. Der ist das umso größer, wenn man dann eine Zeitung aufschlägt wie die „Berliner Zeitung“.

Ich kann mich noch an die hochtrabenden Phrasen erinnern, die da lauteten, der Souverän habe entschieden. Damit hat man es sich sehr schön und sehr leicht gemacht. Das Wahlvolk hat entschieden, dass es jetzt die Politik bekommt, die nun verhandelt wird. Oliver Eberl hat diese Scheinsouveränität gerade in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ wunderbar zerrissen. Der Souveräne wählt, aber die Parteien bilden Regierungen, sie können sich nicht dahinter verstecken, sie führen jetzt nur das aus, was der Souverän wollte. Hat er das gewollt, was nun anscheindend auf uns zurollt? Hat er den Zerfall der Vergangenheit gewollt?

Nein, er hat weder gewollt, dass man in bester Manier da weiter macht, wo man denkt, dass man hin müsste; sondern, dass man dahin müsse, wo man hin will. Aber das will man wohl nicht. Man will müssen wollen, dass der ganze Käse immer weiter stinkt.

Was sich seit Jahren offenbar im Gesundheitssektor abspielt, ist ohne Beispiel und vom souverän nicht gewollt. Die Reformgeilheit hat blind gemacht, weil man sich als Revoluzzer fühlte. Man hat den Staat kalt gemacht. Kälte! Soziale Kälte und Wirtschaftsdarwinismus. Jeder ist der Dumme.

Daneben das unsägliche Geplänkel um die Besetzung des Posten und Amtes eines Bundetagsvizepräsidenten. Die Abschlachtung der LINKEN, rechts als Entlinkisierung des alten Linken. Plötzlich sind alle Meister im Fach Problemlösung. Probleme, die geschaffen wurden, damit man sie durch neue Probleme lösen kann. Plötzlich diese Hellsicht, plötzlich denkt man an nachfolgende Generationen, plötzlich ist jedes Argument gut solange es nicht darum geht, den grundlegenden Mangel zu beseitigen, dass nämlich weder diese Kultur noch ihre sie dominierende Wirtschaftform das Problem ist.

Wer allein dies schon bemängelt gilt ja als Romantiker, als Sozialromantiker zumal. So wie damals Marx und Engels Romantiker waren. Jeder, ohne Ausnahme, der nicht in den Kategorien von Wirtschaft und Steuersteuerung denkt, ist aus dem Spiel raus — bloß ein blöder Spielverderber. Und so wurstelt und werkelt man weiter, ohne Obacht auf die zunehmede Zerrüttung der ganzen Gesellschaft als solcher.

Ich bekomme ja so einiges mit aus dem Bereich der sogenannten Kulturwelt. Deutschland habe ein hochstehendes Kulturprogramm, Theater in jeder Stadt fast, Orchester, Musikschulen, Musikhochschulen, Hoichschulen für alle Künste der Welt, Radioprogramme in denen jede Musik gespielt wird, sogar die sogenannte „Neue“ und die sogenannte „alte“. Der Ausstoß an CD-Produktionen ist immens, Jazzclubs da, Kabarett dort, Badeanstalten, Eislaufbahnen, Fussballstadien. Eigentlich ist das Land voll und übervoll davon. Theoretisch, zumindest theoretisch stehen die jedem offen gegen noch geringe Entgelte. Springer macht Gewinne, Bertelsmann macht Gewinne. Zeitungen gehen ein und neue entstehen. Man probte im letzten Jahrzeht des letzten Jahrhunderts nicht selten sogenannte „Aufstände der Anständigen“. Eigentlich ist doch alles n Butter, die paar Abschürfungen im Kultursektor sind gewöhnlich und im Einzelfall natürlich immer ärgerlich.

„Wir sind Deutschland“ wird uns unter die Zunge geschoben und wir geloben brav zu sein und tapfer. Aber schon muss man aufpassen, auch die Kultur ist immer deutlicher Gegenstand privater Ansprüche und Wünsche und Begehrlichkeiten. Die Hochschulrektorenkonferenz steht schon deutlich unter der Fuchtel der Bertelsmann-Stiftung (siehe Thomas Barths und Oliver Schöllers Analyse: „Bertelsmann und die Privatisierung der Bildungspolitik“ in den „Blättern“.

Alles, was man noch in das Raster von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik pressen kann, wird hineingepresst. Wen es betrifft, den angeblichen Souevrän, der lässt sich das gefallen. Er lässt sich auf Diskussionen ein, ob man nicht besser ein Theater als drei Kindergärten schließt.

Wen wundert dann, dass eben dieser Souverän sich nicht dumm stellt aber dumm macht und daher genau so operiert und denkt wie diejenigen, die denken, sie könnten das Land lenken, sei es in Wirtschaft oder Politik. Wen wundert es da noch, dass sich die Glocke der gesellschaftlichen Kälte immer abschnürender über dieses Land und dieses Volk senkt. Wen wundert es da noch, dass man sich da ein Stückchen vom Kuchen zu sichern sucht. So ein Land kann nicht funktionieren, so ein Land kann nicht bei sich bleiben, so ein Land muss den Bach runter gehen.

Man kann die Liste der Verfehlungen noch weiter führen und fragen, wie es eigentlich möglich sein konnte, dass eine Staatinstitution wie die Bunderwehr in dem Moment, wo sie überflüssig werden musste, in dem Moment also, als der Ost/West-Konflikt aufhörte zu existieren, warum also in genau diesem Moment aus einer Verteidigungsarmee eine Streitmacht wurde, die Kriege zu führen bestimmt wurde — und das zu aller Ironie unter Beteiligung der Grünen. Das ist doch absurd.
Hat schon die Verelendungstheorie nicht à la lettre sich bewahrheitet, so doch in dem nicht weniger beängstigenden Sinn, daß Unfreiheit, Abhängigkeit von einer dem Bewußtsein derer, die sie bedienen, entlaufenen Apparatur universal über die Menschen sich ausbreitet. Die allbeklagte Unmündigkeit der Massen ist nur der Reflex darauf, daß sie so wenig wie je autonome Meister ihres Lebens sind; wie im Mythos widerfährt es ihnen als Schicksal.
[Band 8: Soziologische Schriften I: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5359 (vgl. GS 8, S. 360) ]

Das schrieb, einen Bereich erwähnend Adorno 1968. Er hatte in diesem Text eine grundlegende Abrechnung versucht. Er wollte isch wehren gegen die Vereinfacher, die mit Begriffen hantieren, die ungewiss ungenau hohl sind:
Das Schwadronieren über Begriffe wie ›der Imperialismus‹ oder ›das Monopol‹, ohne Rücksicht darauf, was diesen Worten als Sachverhalten entspricht, und wie weit ihr Geltungsbereich sich erstreckt, ist so falsch, nämlich irrational, wie eine Verhaltensweise, die, ihrer blind-nominalistischen Vorstellung vom Sachverhalt zuliebe, dagegen sich sperrt, daß Begriffe wie Tauschgesellschaft ihre Objektivität haben, einen Zwang des Allgemeinen hinter den Sachverhalten bekunden, der keineswegs stets zureichend in operationell definierte Sachverhalte sich übersetzen läßt. Beidem ist entgegenzuarbeiten …
[Band 8: Soziologische Schriften I: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5353 (vgl. GS 8, S. 357)]

Die Gegenarbeit ist misslungen. Auch das ist Kennzeichen der aktuellen Situationen. Sie ist blauäugig verkürzt, sie ist reduziert auf Plattitüden. Der eine spöttelt gegen den Kapitalismus als solchem in allem und jedem, der andere will nicht sehen, dass er trotzdem diesem Muster kapitalistischer Orientierungsmuster folgt und zwar sogar so, dass er dent er sei damit im Rechte — weil nur diese Wirtschaftform in allen Ausarbeitungen die Freiheit der Menschheit garantiere. Beide Formen der Auseinandersetzung jedoch sind hilflos und leer.

Darin, so vermute ich, ist sicher die neue Stufe der Unmündigkeit der Gegenwart zu sehen. Die Reduktion des Handlungsspielraums durch die Verkürzung der Antworten. Antworten, die nichts mehr beantworten sonden nur noch politische Reflexe zu sein scheinen, eingeübt und doch ungeglaubt. Keine Antworten sondern verstandlose Reaktionen.
Über richtiges und falsches Bedürfnis wäre gemäß der Einsicht in die Struktur der Gesamtgesellschaft samt all ihren Vermittlungen zu urteilen. Das Fiktive, das alle Bedürfnisbefriedigung heute verunstaltet, wird unbewußt fraglos wahrgenommen; es trägt wohl zum gegenwärtigen Unbehagen in der Kultur bei. Wichtiger dafür aber als selbst das fast undurchdringliche quid pro quo von Bedürfnis, Befriedigung und Profit- oder Machtinteresse ist die unentwegt fortdauernde Bedrohung des einen Bedürfnisses, von dem alle anderen erst abhängen, des Interesses am einfachen Überleben. Eingeschlossen von einem Horizont, in dem jeden Augenblick die Bombe fallen kann, hat noch das üppigste Angebot an Konsumgütern etwas von Hohn. … Die Drohung der einen Katastrophe wird durch die der anderen hinausgeschoben. [Band 8: Soziologische Schriften I: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5368 (vgl. GS 8, S. 365-366)]
Ich will jedoch nicht so ganz negativ enden. Es gibt das ein Sprichwort, welches ich heute zum ersten Mal las, es hat seinen Eingang in unterschiedlichen Kulturen gefunden. Es ist mein letzter Trost, eigentlich auf der Suche nach Trost für Semmels Zahnweh:
Man soll sich nicht heute den Kopf einstossen, weil man morgen Zahnschmerzen haben kann!
Die Perser sagen: Du sollst nicht heut’ den Kummer leiden, der dem morgigen Tage angehört. Die Hebräer: Aengstige dich nicht über die Leiden von morgen; denn du weisst nicht, was das Heute erzeugt. Die Engländer: Des Tages Noth ist genug für den Tag. (Reinsberg II, 80.)
[Sprichwörterlexikon: Heute. Deutsches Sprichwörter-Lexikon, S. 19778 (vgl. Wander-DSL Bd. 2, S. 638) ]


Wenn man so einige Tage ohen Fernsehen, Zeitung und Radio verbringt, erspart man sich viel Ärger. Der ist das umso größer, wenn man dann eine Zeitung aufschlägt wie die „Berliner Zeitung“.

Ich kann mich noch an die hochtrabenden Phrasen erinnern, die da lauteten, der Souverän habe entschieden. Damit hat man es sich sehr schön und sehr leicht gemacht. Das Wahlvolk hat entschieden, dass es jetzt die Politik bekommt, die nun verhandelt wird. Oliver Eberl hat diese Scheinsouveränität gerade in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ wunderbar zerrissen. Der Souveräne wählt, aber die Parteien bilden Regierungen, sie können sich nicht dahinter verstecken, sie führen jetzt nur das aus, was der Souverän wollte. Hat er das gewollt, was nun anscheindend auf uns zurollt? Hat er den Zerfall der Vergangenheit gewollt?

Nein, er hat weder gewollt, dass man in bester Manier da weiter macht, wo man denkt, dass man hin müsste; sondern, dass man dahin müsse, wo man hin will. Aber das will man wohl nicht. Man will müssen wollen, dass der ganze Käse immer weiter stinkt.

Was sich seit Jahren offenbar im Gesundheitssektor abspielt, ist ohne Beispiel und vom souverän nicht gewollt. Die Reformgeilheit hat blind gemacht, weil man sich als Revoluzzer fühlte. Man hat den Staat kalt gemacht. Kälte! Soziale Kälte und Wirtschaftsdarwinismus. Jeder ist der Dumme.

Daneben das unsägliche Geplänkel um die Besetzung des Posten und Amtes eines Bundetagsvizepräsidenten. Die Abschlachtung der LINKEN, rechts als Entlinkisierung des alten Linken. Plötzlich sind alle Meister im Fach Problemlösung. Probleme, die geschaffen wurden, damit man sie durch neue Probleme lösen kann. Plötzlich diese Hellsicht, plötzlich denkt man an nachfolgende Generationen, plötzlich ist jedes Argument gut solange es nicht darum geht, den grundlegenden Mangel zu beseitigen, dass nämlich weder diese Kultur noch ihre sie dominierende Wirtschaftform das Problem ist.

Wer allein dies schon bemängelt gilt ja als Romantiker, als Sozialromantiker zumal. So wie damals Marx und Engels Romantiker waren. Jeder, ohne Ausnahme, der nicht in den Kategorien von Wirtschaft und Steuersteuerung denkt, ist aus dem Spiel raus — bloß ein blöder Spielverderber. Und so wurstelt und werkelt man weiter, ohne Obacht auf die zunehmede Zerrüttung der ganzen Gesellschaft als solcher.

Ich bekomme ja so einiges mit aus dem Bereich der sogenannten Kulturwelt. Deutschland habe ein hochstehendes Kulturprogramm, Theater in jeder Stadt fast, Orchester, Musikschulen, Musikhochschulen, Hoichschulen für alle Künste der Welt, Radioprogramme in denen jede Musik gespielt wird, sogar die sogenannte „Neue“ und die sogenannte „alte“. Der Ausstoß an CD-Produktionen ist immens, Jazzclubs da, Kabarett dort, Badeanstalten, Eislaufbahnen, Fussballstadien. Eigentlich ist das Land voll und übervoll davon. Theoretisch, zumindest theoretisch stehen die jedem offen gegen noch geringe Entgelte. Springer macht Gewinne, Bertelsmann macht Gewinne. Zeitungen gehen ein und neue entstehen. Man probte im letzten Jahrzeht des letzten Jahrhunderts nicht selten sogenannte „Aufstände der Anständigen“. Eigentlich ist doch alles n Butter, die paar Abschürfungen im Kultursektor sind gewöhnlich und im Einzelfall natürlich immer ärgerlich.

„Wir sind Deutschland“ wird uns unter die Zunge geschoben und wir geloben brav zu sein und tapfer. Aber schon muss man aufpassen, auch die Kultur ist immer deutlicher Gegenstand privater Ansprüche und Wünsche und Begehrlichkeiten. Die Hochschulrektorenkonferenz steht schon deutlich unter der Fuchtel der Bertelsmann-Stiftung (siehe Thomas Barths und Oliver Schöllers Analyse: „Bertelsmann und die Privatisierung der Bildungspolitik“ in den „Blättern“.

Alles, was man noch in das Raster von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik pressen kann, wird hineingepresst. Wen es betrifft, den angeblichen Souevrän, der lässt sich das gefallen. Er lässt sich auf Diskussionen ein, ob man nicht besser ein Theater als drei Kindergärten schließt.

Wen wundert dann, dass eben dieser Souverän sich nicht dumm stellt aber dumm macht und daher genau so operiert und denkt wie diejenigen, die denken, sie könnten das Land lenken, sei es in Wirtschaft oder Politik. Wen wundert es da noch, dass sich die Glocke der gesellschaftlichen Kälte immer abschnürender über dieses Land und dieses Volk senkt. Wen wundert es da noch, dass man sich da ein Stückchen vom Kuchen zu sichern sucht. So ein Land kann nicht funktionieren, so ein Land kann nicht bei sich bleiben, so ein Land muss den Bach runter gehen.

Man kann die Liste der Verfehlungen noch weiter führen und fragen, wie es eigentlich möglich sein konnte, dass eine Staatinstitution wie die Bunderwehr in dem Moment, wo sie überflüssig werden musste, in dem Moment also, als der Ost/West-Konflikt aufhörte zu existieren, warum also in genau diesem Moment aus einer Verteidigungsarmee eine Streitmacht wurde, die Kriege zu führen bestimmt wurde — und das zu aller Ironie unter Beteiligung der Grünen. Das ist doch absurd.
Hat schon die Verelendungstheorie nicht à la lettre sich bewahrheitet, so doch in dem nicht weniger beängstigenden Sinn, daß Unfreiheit, Abhängigkeit von einer dem Bewußtsein derer, die sie bedienen, entlaufenen Apparatur universal über die Menschen sich ausbreitet. Die allbeklagte Unmündigkeit der Massen ist nur der Reflex darauf, daß sie so wenig wie je autonome Meister ihres Lebens sind; wie im Mythos widerfährt es ihnen als Schicksal.
[Band 8: Soziologische Schriften I: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5359 (vgl. GS 8, S. 360) ]

Das schrieb, einen Bereich erwähnend Adorno 1968. Er hatte in diesem Text eine grundlegende Abrechnung versucht. Er wollte isch wehren gegen die Vereinfacher, die mit Begriffen hantieren, die ungewiss ungenau hohl sind:
Das Schwadronieren über Begriffe wie ›der Imperialismus‹ oder ›das Monopol‹, ohne Rücksicht darauf, was diesen Worten als Sachverhalten entspricht, und wie weit ihr Geltungsbereich sich erstreckt, ist so falsch, nämlich irrational, wie eine Verhaltensweise, die, ihrer blind-nominalistischen Vorstellung vom Sachverhalt zuliebe, dagegen sich sperrt, daß Begriffe wie Tauschgesellschaft ihre Objektivität haben, einen Zwang des Allgemeinen hinter den Sachverhalten bekunden, der keineswegs stets zureichend in operationell definierte Sachverhalte sich übersetzen läßt. Beidem ist entgegenzuarbeiten …
[Band 8: Soziologische Schriften I: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5353 (vgl. GS 8, S. 357)]

Die Gegenarbeit ist misslungen. Auch das ist Kennzeichen der aktuellen Situationen. Sie ist blauäugig verkürzt, sie ist reduziert auf Plattitüden. Der eine spöttelt gegen den Kapitalismus als solchem in allem und jedem, der andere will nicht sehen, dass er trotzdem diesem Muster kapitalistischer Orientierungsmuster folgt und zwar sogar so, dass er dent er sei damit im Rechte — weil nur diese Wirtschaftform in allen Ausarbeitungen die Freiheit der Menschheit garantiere. Beide Formen der Auseinandersetzung jedoch sind hilflos und leer.

Darin, so vermute ich, ist sicher die neue Stufe der Unmündigkeit der Gegenwart zu sehen. Die Reduktion des Handlungsspielraums durch die Verkürzung der Antworten. Antworten, die nichts mehr beantworten sonden nur noch politische Reflexe zu sein scheinen, eingeübt und doch ungeglaubt. Keine Antworten sondern verstandlose Reaktionen.
Über richtiges und falsches Bedürfnis wäre gemäß der Einsicht in die Struktur der Gesamtgesellschaft samt all ihren Vermittlungen zu urteilen. Das Fiktive, das alle Bedürfnisbefriedigung heute verunstaltet, wird unbewußt fraglos wahrgenommen; es trägt wohl zum gegenwärtigen Unbehagen in der Kultur bei. Wichtiger dafür aber als selbst das fast undurchdringliche quid pro quo von Bedürfnis, Befriedigung und Profit- oder Machtinteresse ist die unentwegt fortdauernde Bedrohung des einen Bedürfnisses, von dem alle anderen erst abhängen, des Interesses am einfachen Überleben. Eingeschlossen von einem Horizont, in dem jeden Augenblick die Bombe fallen kann, hat noch das üppigste Angebot an Konsumgütern etwas von Hohn. … Die Drohung der einen Katastrophe wird durch die der anderen hinausgeschoben. [Band 8: Soziologische Schriften I: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5368 (vgl. GS 8, S. 365-366)]
Ich will jedoch nicht so ganz negativ enden. Es gibt das ein Sprichwort, welches ich heute zum ersten Mal las, es hat seinen Eingang in unterschiedlichen Kulturen gefunden. Es ist mein letzter Trost, eigentlich auf der Suche nach Trost für Semmels Zahnweh:
Man soll sich nicht heute den Kopf einstossen, weil man morgen Zahnschmerzen haben kann!
Die Perser sagen: Du sollst nicht heut’ den Kummer leiden, der dem morgigen Tage angehört. Die Hebräer: Aengstige dich nicht über die Leiden von morgen; denn du weisst nicht, was das Heute erzeugt. Die Engländer: Des Tages Noth ist genug für den Tag. (Reinsberg II, 80.)
[Sprichwörterlexikon: Heute. Deutsches Sprichwörter-Lexikon, S. 19778 (vgl. Wander-DSL Bd. 2, S. 638) ]

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