Da wächst zusammen, was zusammengehört: Europa. Europa, das Bollwerk der abendländischen Kultur gegen den kulturellen Vandalismus von Übersee und Untererde. Gemeinsam ist man stark, gemeinsam sitzt man im selben Boot. Alle Europäer werden Menschen. Um dieses Ziel gewährleisten zu können, muss man auch überall ein bisschen zurückstecken. Alles gehört angepasst. Schlimm genug, dass man dies noch nicht in Sachen der Europasprache geschafft hat. Schöner ist es ohnehin, man redet aneinander vorbei. 380 Kombinationsmöglichkeiten für Übersetzungen in der erweiterten EU gibt es bereits. Das ist nur Nebensache. Europa wird so oder so verwaltet.
Wenn jetzt im Rahmen der europäischen Vereinigung zum Beispiel sämtliche universitären Ausbildungswege (und bald sicher auch die schulischen) per Bachelor und Master vereuroglobalisiert werden, sterben die kulturellen Eigenarten und letzten Dornröschenparadiese und deren orchideenvollen Gedanken ab. Die Holland-Gurke, die Euro-Banane waren erst der Anfang. Und die Musik selbst: Ist Brahms eigentlich eurokonform? Eher doch nicht.
Also weg mit diesem kulturellen Getue. Hört den Propheten Stockhausen: Mit dem allmählichen Ausklang der individualistischen Epoche der europäischen Kultur verlieren sich in jüngster Zeit die Nationalstile und überspitzten Persönlichkeitsstile immer rascher. Tatsächlich hat um 1950 eine Generation damit begonnen, eine neue Musiksprache zu formulieren, die alle Voraussetzungen dafür enthält, eine kollektive, übernationale und weitgehend überpersönliche Musiksprache zu ermöglichen. Denn Mahlzeit, mit McRihm im Schnappi-Rand zu einem Euro.
Martin Hufner
Cluster der Ausgabe 2005/04, neue musikzeitung