Blättern in einem Buch bereitet Vergnügen, gerade dann, wenn man es nicht lesen mag. Plötzlich springen einen Sätze an, aus dem Zusammenhang gerissen, die für sich stehen und manchmal ratlos machen. Diesen Zustand empfinde ich als wohltuend:
381. Wie erkenne ich, daß diese Farbe rot ist? Eine Antwort wäre: »Ich habe Deutsch gelernt.«
Oder:
255. Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit.
Oder:
203. Die Sprache ist ein Labyrinth von Wegen. Du kommst von einer Seite und kennst dich aus; du kommst von einer andern zur selben Stelle, und kennst dich nicht mehr aus.
Da kenne ich mich auch nicht mehr aus. Aber ganz übel:
202. Darum ist »der Regel folgen« eine Praxis. Und der Regel zu folgen glauben ist nicht: der Regel folgen. Und darum kann man nicht der Regel »privatim« folgen, weil sonst der Regel zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen.
Wittgenstein, noch einmal
3 Kommentare
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Lieber Co-Einundvierziger
Lieber Co-Einundvierziger (nachträglich alles Beste!),
ja, Wittgenstein kann schon verstören. Und es fällt schwer, den Grund eindeutig zu benennen. Da sind diese Sätze, die immer irgendwo aufwühlen und zu einer Quelle vorstoßen. Die jeden expliziten Zusammenhang verweigern und zugleich ohne Zusammenhang überhaupt nicht denkbar sind. Am schwächsten unter den von dir zitierten vielleicht der zweite. Philosophen haben sich immer schon überschätzt. Sie wollten der Philosophie immer schon ein Ende bereiten. Auch die Besten sind eitel, oft maßlos eitel. Anders wären sie vielleicht nie so weit gekommen. Aber dort, wohin sie dann kommen, steht ihre Selbstinszenierung im Konflikt zu ihrer Leistung. Wittgenstein, immerhin, merkt, dass er die Regeln nicht allein definieren kann.
Kennst du das Buch „Wie Ludwig Wittgenstein Karl Popper mit dem Feuerhaken drohte“ von David J. Edmonds und John A.Eidinow? Eine großartige Lektüre. Sogar in der deutschen Fassung, die der Verlag in vier Teile zerhackt und auf vier Übersetzer verteilt hat. Wenn es um Manuskripte geht, greift das Folterverbot leider nicht.
Und oben Zeichnender,
Und oben Zeichnender, ziemlich aus der Übung, was das Glossieren der Welt anbelangt, hat jetzt sogar seine Heimatadresse falsch zitiert. Er ist trotz seines Namens KEIN Mailadressenhändler. Man klicke, wenn überhaupt, auf den korrekten Link dieses Kommentars, nicht den falschen des vorherigen…
Lieber Postmeister. Mei, was
Lieber Postmeister. Mei, was sind wir hier doch alle für ein alter Haufen. Ich liebe das Altern übrigens, aber das nur nebenbei.
Nein, das Buch kenne ich nicht, habe mal einen kurzen Eindruck darüber im Fernsehen wahrgenommen. Das gefiel mir sehr gut. Es soll zugleich eine Schule für Augenzeugenberichte sein, wenn ich nicht irre.
Ja und nein. Klar überschäzen sich die Philosophen mit solchen Sätzen. Aber sie sind auch nur von Philosophen zu lesen und zu verstehen. Das ist ähnlich wie bei Musikerwitzen.