11. März 2025 Alles muss raus!

1990 – Das nackte Daß

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Ein Buch wie ein Hammer, der Titel knallt selbst noch im Untertitel „Zur Frage der Faktizität“. Franz Josef Wetz hat es geschrieben, einer der von Ferne zu jener Zeit aussah wie ein Nachfahre Friedrich Nietzsches. Das Thema ist fett, nämlich warum etwas ist und nicht vielmehr nichts ist. Dazu zieht er den Faden aus der griechischen Philosophie bis in die Gegenwart. Nur ein Beispiel: Schelling.
warum ist überhaupt etwas? warum ist nicht nichts? … Kann ich jene letzte Frage nicht beantworten, so sinkt alles andere für mich in den Abgrund eines bodenlosen Nichts.
Und das ist nur ein Kronzeuge. Ein weiterer wäre Henri Bergson:
warum es Sein gibt, warum irgend etwas oder irgend jemand, warum die Welt existiert … und warum nicht das Nichts.
Oder Paul Natorp ebenfalls radikal:

Frage aller Fragen … das Rätsel, daß überhaupt etwas ist. […] Daß es eine Welt gibt, ist die schlechthin harte Tatsache, diejenige, in die unsere Vernunft nicht eindringen kann.
Usw. usf. Daher darf man annehmen, wem diese Frage nicht zu fremd sind, wer noch einmal an den letzten Gründen rütteln will, wer gleichzeitig eine Art philosophiegeschichtlichen Schnelldurchgang erleben will, dem wird „Das nackte Daß“ viel zum Mit- und Nachdenken liefern. Antworten sicher auch, aber eigentlich nur nicht zufriedenstellende. So endet das Buch auch wieder in der Anfangsfrage:
Wenn in der tiefen Langeweile alle Geborgenheit zusammenbricht und das Seiende seine Unauffälligkeit, Vertrautheit und Verläßlichkeit preisgibt, dann entspringt die Frage, aus der wir uns innerhalb der Philosophie nicht zu Antworten fortschleichen können, die Frage, in der uns in einer Art von Erschütterung, Verlegenheit und Bestürzung die rätselhafte Faktizität des Seienden aufgeht und die nicht der Anfang, sondern das Ende – weil die unüberschreitbare Grenze – der Philosophie bedeutet, nämlich die Frage: Warum ist überhaupt Seiendes? (S. 247)
Der Franz Josef Wetz war übrigens ein ausgezeichneter Pädagoge an der Uni als Assistent. Der konnte alles so erklären, dass man es verstand aber sich an nichts zu erinnern vermochte. Nach dem „nackten Daß“ klopfte er weiter mit dem nicht weniger substanziellen Buch: „Lebenswelt und Weltall“ (Neske, Pfullingen 1994). Wieder geht es aufs Ganze:
Es ist eine besonders harte Zumutung für den Menschen, sein für ihn selbst höchst wichtiges Dasein als für die Welt ganz gleichgültig anzuerkennen; eine ebenso harte Zumutung des Menschen an die Welt ist es aber, seinem Dasein Bedeutsamkeit und Erheblichkeit zuzuerkennen. Welche der beiden Zumutungen ist annehmbar? (S. 13)
Das Buch ist ungleich dicker und wiegt genauso schwer. Was ja schön ist, ist, dass sich da am Ende des 20. Jahrhunderts noch einmal ein junger Mann an die großen Themen der Philosophie heranwagt.

Nach so einigen Hämmern wirken Pressemeldungen fast wie eine Beleidigung. Da schreibt die Neue Digitale:
„Kinder surfen lieber im Internet, als Fernsehen zu gucken“ – eine hervorragende Nachricht für unsere Branche! Der Siegeszug des Internets ist wohl kaum noch aufzuhalten. Interessant ist dies vor allem für Unternehmen, sind doch die Kinder von heute die kaufkräftigen Konsumenten von morgen.
Statt mal alles in Zweifel zu ziehen, werden hier Menschen eben nur noch unter dem Aspekt der kaufkräftigen Konsumenten der Zukunft angefasst. Das nennt man — glaub ich — zielorientiert, aber noch mehr die Reduktion der Welt auf Zwecke. So einfach kann ich das jedenfalls nicht als „hervorragende Nachricht für unsere Branche“ sehen.

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Ein Buch wie ein Hammer, der Titel knallt selbst noch im Untertitel „Zur Frage der Faktizität“. Franz Josef Wetz hat es geschrieben, einer der von Ferne zu jener Zeit aussah wie ein Nachfahre Friedrich Nietzsches. Das Thema ist fett, nämlich warum etwas ist und nicht vielmehr nichts ist. Dazu zieht er den Faden aus der griechischen Philosophie bis in die Gegenwart. Nur ein Beispiel: Schelling.
warum ist überhaupt etwas? warum ist nicht nichts? … Kann ich jene letzte Frage nicht beantworten, so sinkt alles andere für mich in den Abgrund eines bodenlosen Nichts.
Und das ist nur ein Kronzeuge. Ein weiterer wäre Henri Bergson:
warum es Sein gibt, warum irgend etwas oder irgend jemand, warum die Welt existiert … und warum nicht das Nichts.
Oder Paul Natorp ebenfalls radikal:

Frage aller Fragen … das Rätsel, daß überhaupt etwas ist. […] Daß es eine Welt gibt, ist die schlechthin harte Tatsache, diejenige, in die unsere Vernunft nicht eindringen kann.
Usw. usf. Daher darf man annehmen, wem diese Frage nicht zu fremd sind, wer noch einmal an den letzten Gründen rütteln will, wer gleichzeitig eine Art philosophiegeschichtlichen Schnelldurchgang erleben will, dem wird „Das nackte Daß“ viel zum Mit- und Nachdenken liefern. Antworten sicher auch, aber eigentlich nur nicht zufriedenstellende. So endet das Buch auch wieder in der Anfangsfrage:
Wenn in der tiefen Langeweile alle Geborgenheit zusammenbricht und das Seiende seine Unauffälligkeit, Vertrautheit und Verläßlichkeit preisgibt, dann entspringt die Frage, aus der wir uns innerhalb der Philosophie nicht zu Antworten fortschleichen können, die Frage, in der uns in einer Art von Erschütterung, Verlegenheit und Bestürzung die rätselhafte Faktizität des Seienden aufgeht und die nicht der Anfang, sondern das Ende – weil die unüberschreitbare Grenze – der Philosophie bedeutet, nämlich die Frage: Warum ist überhaupt Seiendes? (S. 247)
Der Franz Josef Wetz war übrigens ein ausgezeichneter Pädagoge an der Uni als Assistent. Der konnte alles so erklären, dass man es verstand aber sich an nichts zu erinnern vermochte. Nach dem „nackten Daß“ klopfte er weiter mit dem nicht weniger substanziellen Buch: „Lebenswelt und Weltall“ (Neske, Pfullingen 1994). Wieder geht es aufs Ganze:
Es ist eine besonders harte Zumutung für den Menschen, sein für ihn selbst höchst wichtiges Dasein als für die Welt ganz gleichgültig anzuerkennen; eine ebenso harte Zumutung des Menschen an die Welt ist es aber, seinem Dasein Bedeutsamkeit und Erheblichkeit zuzuerkennen. Welche der beiden Zumutungen ist annehmbar? (S. 13)
Das Buch ist ungleich dicker und wiegt genauso schwer. Was ja schön ist, ist, dass sich da am Ende des 20. Jahrhunderts noch einmal ein junger Mann an die großen Themen der Philosophie heranwagt.

Nach so einigen Hämmern wirken Pressemeldungen fast wie eine Beleidigung. Da schreibt die Neue Digitale:
„Kinder surfen lieber im Internet, als Fernsehen zu gucken“ – eine hervorragende Nachricht für unsere Branche! Der Siegeszug des Internets ist wohl kaum noch aufzuhalten. Interessant ist dies vor allem für Unternehmen, sind doch die Kinder von heute die kaufkräftigen Konsumenten von morgen.
Statt mal alles in Zweifel zu ziehen, werden hier Menschen eben nur noch unter dem Aspekt der kaufkräftigen Konsumenten der Zukunft angefasst. Das nennt man — glaub ich — zielorientiert, aber noch mehr die Reduktion der Welt auf Zwecke. So einfach kann ich das jedenfalls nicht als „hervorragende Nachricht für unsere Branche“ sehen.

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